Allergische Erkrankungen stellen weltweit ein großes Problem dar. Jedoch fehlen Be-völkerungsstudien zu den Häufigkeiten der Hühnereiallergie im frühen Kindesalter, zu den konkreten Umsetzungen der bestehenden Präventionsempfehlungen und zu den weiteren Präventionsmöglichkeiten der Hühnereiallergie mittels Toleranzentstehung.
Zielsetzung Aus diesem Grund wurde untersucht, wie die bestehenden Allergiepräventionsleitlinien befolgt wurden, welche Hühnereiallergieinzidenzen bei Kleinkindern vorliegen und ob durch die frühe Hühnereigabe in der Beikost der Entstehung einer Allergie vorgebeugt werden kann.
Methoden In der EuroPrevall-Geburtskohortenstudie wurde bei 1.570 Neugeborenen der Allge-meinbevölkerung untersucht, inwiefern die Eltern den Empfehlungen der S3-Leitlinie zur Allergieprävention folgten. Hierfür wurden diese zu den entsprechenden Zeitpunk-ten befragt. Als Kind mit erhöhtem Allergierisiko (Risikokind) wurde ein Kind definiert, wenn für mindestens ein Elternteil oder Geschwister ersten Grades eine vom Arzt di-agnostizierte allergische Erkrankung angegeben wurde (atopisches Ekzem, allergi-sche Rhinitis/Rhinokonjunktivitis oder Asthma). Diese wurden dann mit Kindern ohne erhöhtes Allergierisiko verglichen (Publikation 1). Bei Verdacht auf nahrungsmittelal-lergische Reaktionen wurden die Kinder in doppelblinden, placebokontrollierten Nah-rungsmittelprovokationstests auf Hühnereiweiß untersucht (Publikation 2). Im Rahmen der randomisierten, placebokontrollierten HEAP-Studie wurden die Säug-linge der Allgemeinbevölkerung im Alter vom vierten bis zum sechsten Lebensmonat auf eine vorbestehende Sensibilisierung mittels einer spezifischen Immunglobulin-E-Konzentration untersucht. Nicht sensibilisierte Säuglinge erhielten nach dem Zufalls-prinzip entweder das Verum (Hühnereiweißpulver) oder ein Placebo (Reispulver), wel-ches der Beikost unter gleichzeitiger eifreier Ernährung untergerührt wurde. Der primä-re Endpunkt war die Häufigkeit der Sensibilisierung gegen Hühnerei mit 12 Lebens-monaten. Die diagnostische Abklärung erfolgte mittels doppelblinder, placebokontrol-lierter Nahrungsmittelprovokation (Publikation 3).
Ergebnisse Die Berliner EuroPrevall-Geburtskohortenstudie zeigte, dass 51 % der Kinder in den ersten vier Lebensmonaten voll- und 45 % teilgestillt wurden. Anders als in den Leitli-nien empfohlen, erhielten nur 39 % der nicht vollgestillten Risikokinder in den ersten vier Lebensmonaten ausschließlich HA-Nahrung (hypoallergen). Auch nach dem fünften Lebensmonat wurde HA-Nahrung weiterverwendet oder neu eingeführt, ohne dass es hierfür eine Empfehlung gab. 16 % der Nichtrisikokinder erhielten HA-Nahrung, 5 % bekamen Beikost vor dem fünften und 52 % ab dem siebten Lebensmo-nat (Publikation 1). Für die Häufigkeit von Hühnerallergien ergab sich eine adjustierte Inzidenz über zwei Jahre von 1,89 %. Nach einem Jahr tolerierten fünf der 12 Kinder wieder Hühnerei. Drei waren weiter allergisch und vier Familien lehnten eine Provokation ab (Publikati-on 2). Von den 406 in der HEAP-Studie untersuchten Säuglingen waren 23 (5,7 %) vor Be-ginn der Randomisierung bereits gegen Hühnerei sensibilisiert. 17 Säuglinge erhiel-ten anschließend eine doppelblinde placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation, die bei 16 eine Hühnereiallergie bestätigte, darunter elf mit anaphylaktischen Reaktio-nen. 5,6 % der Kinder im Alter von 12 Lebensmonaten in der Verum-Gruppe waren mit Hühnerei sensibilisiert, gegenüber 2,6 % in der Placebogruppe (primärer Endpunkt; OR: 2,20; 95%-KI 0,68–7,14; p = 0,24). Bei 2,1 % wurde eine Hühnereiallergie gegen-über 0,6 % in der Placebogruppe bestätigt (OR: 3,30; 95%-KI 0,35–31,32; p = 0,35). Diese Unterschiede waren nicht signifikant (Publikation 3).
Schlussfolgerungen Empfehlungen zur Allergieprävention durch Säuglingsernährung scheinen bisher nur ungenügend umgesetzt zu werden. Die Inzidenz der Hühnereiallergie in den ersten zwei Lebensjahren lag bei 2 %. Etwa die Hälfte wurde innerhalb eines Jahres klinisch tolerant. Die frühe Gabe von ‚rohen‘ Eiprodukten scheint zur Prävention der Hühnereiallergie ungeeignet.
Allergic diseases are a major problem worldwide. However, there is a lack of population studies on the incidence of hen egg allergy in early childhood, on the concrete implementation of existing prevention recommendations, and on the further prevention possibilities of hen egg allergy by means of tolerance development. Objective To investigate how existing allergy prevention guidelines have been followed, the incidence of chicken egg allergy in young children, and whether the development of allergy can be prevented by the early addition of chicken egg to the complementary diet. Methods In the EuroPrevall birth cohort study, 1,570 newborns of the general population were examined to what extent the parents followed the recommendations of the S3 guideline on allergy prevention. For this purpose, they were interviewed at the relevant times. A child with increased allergy risk (at-risk child) was defined if at least one parent or first-degree sibling had a physician-diagnosed allergic disease (atopic eczema, allergic rhinitis/rhinoconjunctivitis, or asthma). These were then compared with children at no increased risk of allergy (publication 1). If food allergic reactions were suspected, the children were tested for chicken egg white in double-blind, placebo-controlled near-food provocation tests (publication 2). In the randomized, placebo-controlled HEAP study, infants in the general population from four to six months of age were screened for pre-existing sensitization by specific immunoglobulin E concentration. Non-sensitized infants were randomly assigned to receive either the verum (chicken egg white powder) or a placebo (rice powder), which was mixed into the complementary diet with an egg-free diet. The primary endpoint was the frequency of sensitization to chicken egg at 12 months of life. Diagnostic clarification was performed by double-blind, placebo-controlled food provocation (publication 3). Results The Berlin EuroPrevall birth cohort study showed that 51% of infants were fully breastfed and 45% were partially breastfed during the first four months of life. Contrary to the recommendation in the guidelines, only 39% of the non-fully breastfed at-risk infants were exclusively fed HA (hypoallergenic) formula during the first four months of life. HA foods continued to be used or were newly introduced after the fifth month of life without any recommendation. 16% of the non-risk infants received HA foods, 5% received complementary foods before the fifth month of life and 52% from the seventh month of life (publication 1). For the incidence of chicken allergy, the adjusted incidence over two years was 1.89%. After one year, five of the 12 children again tolerated chicken egg. Three continued to be allergic and four families refused provocation (publication 2). Of the 406 infants examined in the HEAP study, 23 (5.7%) were already sensitized to chicken egg before the start of randomization. Seventeen infants subsequently received double-blind placebo-controlled food challenge, which confirmed chicken egg allergy in 16, including 11 with anaphylactic reactions. 5.6% of infants 12 months of age in the verum group were sensitized to chicken egg, compared with 2.6% in the placebo group (primary endpoint; OR: 2.20; 95% CI 0.68-7.14; p = 0.24). Chicken egg allergy was confirmed in 2.1% versus 0.6% in the placebo group (OR: 3.30; 95% CI 0.35-31.32; p = 0.35). These differences were not significant (publication 3). Conclusions Recommendations for allergy prevention through infant feeding seem to be insufficiently implemented so far. The incidence of chicken egg allergy in the first two years of life was 2%. About half became clinically tolerant within one year. Early administration of 'raw' egg products seems unsuitable for prevention of hen egg allergy.