Einleitung: Das Marfan-Syndrom (MFS) ist eine systemische Erkrankung, die durch eine Mutation im FBN1-Gen und eine daraus resultierende Fehlfunktion des Bindegewebsproteins Fibillin-1 sowie eine Dysregulation von TGFβ charakterisiert ist. Zu den Hauptmanifestationen zählen Veränderungen am vaskulären, skelettalen sowie okulären System, jedoch konnten kürzlich erschienene Studien auch eine reduzierte systolische sowie diastolische links-ventrikuläre (LV) Funktion aufzeigen, was eine kardiale Beteiligung nahelegt (1). Neben dem LV ist der linke Vorhof (LA, left atrium) für eine reguläre Herzfunktion verantwortlich, maladaptive Veränderungen (atriales Remodeling) können die Entstehung einer Herzinsuffizienz begünstigen. Über Veränderungen am LA beim MFS ist bisher wenig bekannt, dabei konnte sowohl eine hohe Expression von Fibrillin-1 im LA als auch eine Assoziation zwischen TGFβ-Dysregulation mit atrialer Fibrose nachgewiesen werden (2, 3). Ziel der vorliegenden Studie war daher die Erfassung der LA-Funktion beim MFS.
Methodik: Echokardiographische, genetische, serologische sowie klinische Befunde von 307 Patientinnen und Patienten mit MFS sowie 147 Kontrollen, die zwischen 2016 und 2020 untersucht worden waren, wurden retrospektiv ausgewertet. Für die Gruppe mit MFS wurden unterschieden, ob bereits vor dem Beobachtungszeitraum eine Operation an der Aorta stattgefunden hatte (n = 96) oder nicht (n = 185). Mittels einer ANCOVA wurden die LA-Größen der drei Gruppen miteinander verglichen, nachdem für Kovariaten kontrolliert wurde. Weiterhin wurde die LA-Größe im Verhältnis zu E/e‘, der als Surrogatparameter für den LV enddiastolischen Füllungsdruck (LVEDP) verwendet wurde, gesetzt. Als Marker der sekretorischen Funktion des LA wurde NT-proBNP herangezogen.
Ergebnisse: Beim MFS zeigte sich eine signifikante Dilatation des LA, auch in der Gruppe ohne aortenchirurgische Operation sowie im Bereich von E/e‘ ≤ 8, in dem normale LVEDP angenommen werden können. Neben der Diagnose „MFS“ waren die Körperoberfläche, das Alter, die Ejektionsfraktion sowie E/e‘ weitere signifikante Prädiktoren für die LA-Größe. Außerdem zeigten sich beim MFS gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöhte NT-proBNP-Spiegel. Patientinnen und Patienten mit MFS und einer schwereren FBN1-Mutation (Haploinsuffizienz) wiesen ein signifikant erhöhtes NT-proBNP gegenüber denjenigen mit einer dominant-negativen Mutation auf. Das Vorkommen von Vorhofflimmern (VHF) war in der Gruppe mit MFS gegenüber der Kontrollgruppe tendenziell höher (5,5 % vs. 2,7 %, p = 0,18).
Zusammenfassung: Die vorliegenden Ergebnisse legen eine morphologische und sekretorische Dysfunktion des LA beim MFS nahe. Da die Veränderungen der atrialen Funktion auch bei Patientinnen und Patienten ohne stattgehabter Aortenoperation sowie bei normwertigen LVEDP auftraten, scheinen sie Ausdruck eines intrinsischen, durch den FBN1-Defekt ausgelösten, atrialen Remodelings zu sein.
Background: Marfan-syndrome (MFS) is a systemic disorder characterized by FBN1 mutation which leads to defective connective tissue component fibrillin-1 as well as TGFβ dysregulation. Its major manifestations include alterations in vascular, skeletal and ocular system, but recent studies also found reduced systolic and diastolic left ventricular (LV) function which implicate a cardiac involvement (1). Besides the LV, the left atrium (LA) is essential for regular cardiac function, maladaptive changes (atrial remodeling) can promote the development of heart failure. Little is known about LA changes in MFS, despite both an extensive expression of fibrillin-1 in LA and an association between TGFβ dysregulation and atrial fibrosis was shown (2, 3). Aim of the present study was therefore to assess LA function in MFS.
Methods: Echocardiographic, genetic, serological and clinical data of 307 patients with MFS and 147 controls examined between 2016 und 2020 were retrospectively analyzed. Patients with MFS were further subdivided in those who had undergone aortic surgery prior to observation period (n = 96) and those who had not (n = 185). An ANCOVA was used to compare LA size between groups after correction for covariates. Additionally, LA size was analyzed in relation to E/e’, a surrogate parameter for LV enddiastolic filling pressure (LVEDP). NT-proBNP was used as a marker of LA secretory function. Results: Patients with MFS showed significant dilatation of the LA, even those with native aorta and when normal LVEDP (E/e’ ≤ 8) can be assumed. Besides diagnosis of MFS, significant predictors of LA size were age, body surface area, ejection fraction and E/e’. Furthermore, patients with MFS showed significantly increased levels of NT-proBNP compared to controls. Within Marfan-group, patients with a more severe FBN1 mutation (resulting in haploinsufficiency) had significantly higher levels of NT-proBNP than those with a dominant-negative mutation. Atrial fibrillation (AF) was seen more frequently in Marfan group (5,5 % vs. 2,7 %, p = 0,18).
Conclusions: The presented results suggest a morphological and secretory dysfunction of the LA in patients with MFS. As the impairment of atrial function appeared even in patients without prior aortic operation and in conditions of normal LVEDP, it seems that these changes are due to an intrinsic atrial remodeling caused by the FBN1 mutation.