Linezolid ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von Antibiotika, den Oxazolidinonen, und zeigt eine gute Wirksamkeit gegen grampositive Bakterien. Die Substanz wird in der Praxis bei Intensivpatienten zur Therapie schwerer Infektionen z.B. durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme oder Vancomycin-resistente Enterokokken eingesetzt. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass dieses Patientenkollektiv aufgrund der komplexen pathophysiologischen Situation und umfangreicher Arzneimitteltherapie oft eine hohe inter- und intraindividuelle Variabilität der Pharmakokinetik (PK) und Pharmakodynamik (PD) von Arzneistoffen aufweist. Davon sind z.B. auch Antibiotika, insbesondere ihre Verteilung in den Interstitialraum von Geweben, betroffen. Da die meisten Bakterien im menschlichen Organismus extrazellulär vorkommen, stellt das Interstitium den eigentlichen Wirkort, die Biophase von Antibiotika dar. Werden dort nur ineffektive Arzneistoffkonzentrationen erreicht, steigt das Risiko des Therapieversagens und der Resistenzbildung. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die PK von ungebundenem Linezolid in Plasma und in der Biophase von gesunden Probanden im Vergleich zu Intensivpatienten nach Einmal- und Mehrfachdosierung zu charakterisieren. Dazu wurde zunächst eine neue bioanalytische HPLC-Methode zur Quantifizierung von Linezolid in den biologischen Matrizes Plasma, Mikrodialysat und Ultrafiltrat entwickelt und nach internationalen Richtlinien validiert. Die Methode zeichnet sich durch die Verwendung minimaler Probenvolumina und eine schnelle und einfache Probenaufarbeitung aus. Für die direkte Bestimmung der ungebundenen, und damit pharmakodynamisch aktiven Linezolidkonzentrationen in der Interstitialflüssigkeit (ISF) des subkutanen Fettgewebes (s.c.) und des Skelettmuskels (i.m.) wurde die Mikrodialyse-Methode eingesetzt. Sie erlaubt eine kontinuierliche und für den Patienten wenig belastende Probensammlung. Die In-vitro-Mikrodialyseuntersuchungen mit Linezolid ergaben neben der Flussratenabhängigkeit die Konzentrationsunabhängigkeit der relativen Wiederfindung (relative recovery, RR) über einen großen Konzentrationsbereich. Auf der Basis der Ergebnisse in vitro wurden für die nachfolgende Klinische Studie die optimale Flussrate und die Länge des Probensammlungsintervalls festgelegt und die Retrodialyse-Methode als geeignetes Kalibrierverfahren für Mikrodialysesonden in vivo ausgewählt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine Klinische Studie geplant und durchgeführt, in der erstmalig Linezolidkonzentrationen in der Biophase bei gesunden Probanden und Patienten mit Sepsis oder septischem Schock unter Verwendung der Mikrodialyse-Methode gemessen wurden. Anhand der differierenden Konzentrations-Zeitprofile in Plasma und in den untersuchten Interstitialräumen ließ sich ableiten, dass die ungebundenen Plasmakonzentrationen bei Intensivpatienten die tatsächliche Höhe der ISF-Konzentrationen im subkutanen Fettgewebe und im Skelettmuskel nicht wiedergeben. Um die Datenanalyse mit ungebundenen Linezolidkonzentrationen durchführen zu können, wurde die individuelle Proteinbindung von Linezolid in vivo bestimmt. Dabei zeigte sich bei Probanden und Intensivpatienten der Studie dieser Arbeit mit ~ 90 % und ~ 87 % im Vergleich zu den bisher publizierten Werten eine höhere ungebundene Fraktion. Die Ursache dieser Differenz wurde noch nicht abschließend geklärt. Im Anschluss an die nichtkompartimentelle pharmakokinetische Datenauswertung zur Bestimmung individueller Gewebepenetrationsfaktoren wurde eine Datenanalyse der ungebundenen Linezolidkonzentrationen in Plasma auf der Basis von Kompartiment-Modellen durchgeführt. Die PK-Parameter Vss/F und CL/F wurden nach Mehrfachdosierung für Probanden im Mittel mit 52 L und 5.6 L/h sowie für Intensivpatienten mit 63 L und 9.2 L/h abgeschätzt. Sie stimmten jeweils gut mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen überein. Durch die gemeinsame Analyse der ungebundenen Plasmakonzentrationen nach iv-Infusion und po- Applikation in einem kombinierten PK-Modell wurde für jeden Probanden die individuelle Bioverfügbarkeit berechnet. Sie lag erwartungsgemäß hoch bei 99 %, jedoch zeigte ein Proband einen Wert von nur ~ 60 %. Der Vergleich der abgeschätzten PK-Parameter beider Studienkollektive dieser Arbeit ergab für Patienten in Plasma nach Mehrfachdosierung eine signifikant geringere Arzneistoffexposition, gemessen als Fläche unter der Konzentrations-Zeit- Kurve. Die Ursache dafür liegt vermutlich in der schnelleren Elimination der Substanz durch eine höhere oxidative Metabolisierung bei Intensivpatienten. Darüber hinaus zeigten Probanden nach Mehrfachdosierung eine signifikante Abnahme der Clearance von 7.5 L/h auf 5.6 L/h. Ebenso wurde bei Intensivpatienten im Verlauf der Therapie heterogene Veränderungen der PK beobachtet. In dieser Arbeit wurden für Linezolid erstmals integrierte PK- Modelle zur simultanen Berechnung von ungebundenen Konzentrationen in Plasma und in der Biophase entwickelt. Die 4-Kompartiment-Modelle beinhalteten geringfügige individuelle Strukturvariationen und beschrieben die gemessenen Linezolidkonzentrationen aller verwendeten Matrizes gut. Sie können die Basis für weitere Datenanalysen mit Hilfe populationspharmakokinetischer Modelle bilden. Linezolid penetrierte bei Probanden sehr gut in s.c.- und i.m.-ISF, bei Intensivpatienten überwiegend gut, jedoch mit hoher Variabilität. Um mögliche klinische Folgen der gemessenen ungebundenen Linezolidkonzentrationen im Plasma sowie im s.c.- und i.m.-Interstitium zu beurteilen, wurden ausgewählte pharmakodynamische Indizes unter Einbeziehung einer minimalen Hemmkonzentration (minimal inhibitory concentration, MIC90) von 4 µg/mL berechnet. Dabei zeigte sich, dass gemessen an dem Grenzwert des Parameters fAUC/MIC von 51 jeweils nur ein Patient in den Matrizes Plasma und i.m.-ISF effektive ungebundene Linezolidkonzentrationen aufwies. Unter diesen Bedingungen wurde vorgeschlagen, die tägliche Linezoliddosierung auf drei Gaben à 600 mg zu erhöhen. Bei einer MIC90 von 2 µg/mL bestand noch bei 50 % der Patienten das Risiko eines Therapieversagens wegen ineffektiver Linezolidkonzentrationen. Weitere Untersuchungen müssen jedoch klären, ob die bisher auf der Basis von Plasmakonzentrationen berechneten pharmakodynamischen Indizes auf die Verhältnisse im Interstitium übertragbar sind. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit unterscheidet sich die PK von ungebundenem Linezolid in Plasma und Interstitium bei gesunden Probanden und Intensivpatienten signifikant. Damit ist es nicht möglich, von pharmakokinetischen Daten, die bei gesunden Probanden gewonnenen wurden, auf die PK von Intensivpatienten zu schließen. Die mit Hilfe der Mikrodialyse gemessenen ungebundenen Linezolidkonzentrationen in der Biophase bilden eine sinnvolle Grundlage, die Dosierung von Linezolid bei Intensivpatienten zu individualisieren. Auf diese Weise kann die Effektivität der Linezolidtherapie gesichert und das Risiko der Resistenzentwicklung von Bakterien minimiert werden.
Linezolid, the first member of a new class of antimicrobial agents, the oxazolidinones, shows good activity against grampositive bacteria. It is indicated for the treatment of serious infectious diseases in critically ill patients caused by e.g. methicillin-resistant staphylococcus aureus strains or vancomycin-resistant enterococci. Due to complex pathophysiological conditions the population of critically ill patients frequently exhibits substantial alterations in drug pharmacokinetics (PK) and pharmacodynamics (PD). These conditions also affect the distribution of e.g. antiinfectives into the interstitial space fluid (ISF) of various tissues. As most of the grampositive pathogens reside in the extracellular space it is generally accepted that the ISF of tissues represents the site of action, also called biophase, for the vast majority of bacterial infections. With the lack of effective drug concentrations in the ISF the risk of treatment failure and development of bacterial resistance increases. The presented thesis aimed at characterising the PK of unbound linezolid in plasma and in the biophase of healthy volunteers and critically ill patients after single and multiple dosing. In order to quantify linezolid in the biological matrices plasma, microdialysate and ultrafiltrate a new bioanalytical HPLC method was developed and validated according to international guidelines. It was characterised by simple and rapid sample preparation procedures while only requiring minimal sample volumes. The microdialysis (MD) method was used to directly and continuously measure the unbound drug concentration in ISF of subcutaneous (s.c.) adipose tissue and of skeletal muscle (i.m.). The MD method represents a minimally invasive procedure that reduces the burden on patients to a minimum. For relative recovery (RR) in vitro MD investigations with linezolid revealed a dependence on flow rate and independence on concentration over a wide concentration range. Based on the results of the in vitro experiments the flow rate and the length of microdialysate sampling intervals were optimised. Moreover, the retrodialysis method was chosen for in vivo calibration of probes during the clinical study. In the presented thesis a clinical study was successfully planned and performed. For the first time, unbound linezolid concentrations were directly measured in the biophase of healthy volunteers as well as patients with sepsis or septic shock at steady state applying the MD method. The differing concentration-time profiles of unbound linezolid in plasma, s.c.-ISF and i.m.-ISF revealed that in critically ill patients linezolid concentrations determined in plasma did not mimic interstitial concentrations. In order to perform a PK data analysis using unbound linezolid concentrations the individual plasma protein binding (PPB) of linezolid was determined in vivo. Compared to previously published results an increased fraction unbound of linezolid was found in the presented study in both healthy volunteers (~ 90 %) and critically ill patients (~ 87 %). The reason for the difference has not been fully explained yet. After the noncompartmental PK data analysis which determined individual tissue penetration factors a data analysis based on compartment models was performed. The mean of the PK parameters Vss/F and CL/F were found to be 52 L and 5.6 L/h in healthy volunteers and 63 L und 9.2 L/h critically ill patients. The results were in good agreement with the results of previously published investigations. Based on the analysis of iv and po data in a combined PK model an individual was estimated, which as expected yielded high values of ~ 99%, however one healthy volunteer reveald a bioavailability of only ~ 60 %. Comparing the PK parameters of both study populations obtained after multiple dosing in plasma patients displayed a significantly lower drug exposition expressed as AUC. This might be due to the increased elimination of linezolid as a result of higher oxidative metabolism in critically ill patients. Healthy volunteers showed a significant decrease of clearance values after multiple dosing from 7.5 L/h to 5.6 L/h. In critically ill patients disposition characteristics changed heterogeneously. In the presented thesis integrated PK models for the simultaneous description of concentrations in plasma and in the biophase were developed for the first time. The 4-compartment models were slightly modified interindividually and described the observed concentrations in all matrices well. The models may serve as a basis for further data analysis using the population PK approach. Linezolid showed a very good distribution into the interstitium of s.c. and i.m. tissue of healthy volunteers and in general distributed well into the ISF in critically ill patients, however with high interindividual variability. In order to assess the clinical relevance of the measured linezolid concentrations in plasma and tissue interstitium some PD indices, e.g. the fAUC/MIC ratio, were calculated using a minimal inhibitory concentration (MIC90) of 4 µg/mL. As measured by the limit of the fAUC/MIC value of 51 the results indicated that only one patient achieved sufficient linezolid concentrations in plasma and i.m.-ISF. Based on these conditions a change of dosage regimen to 600 mg linezolid tid was recommended in critically ill patients. Even when assuming a MIC90 of 2 µg/mL 50% of the patients were still at risk of treatment failure due to ineffective linezolid concentrations. Further investigations will evaluate whether PD indices based on plasma concentrations may be applied to concentrations in the ISF. According to the results of the presented study the PK of unbound linezolid in plasma and interstitium significantly differs between healthy volunteers and critically ill patients. It is not possible to extrapolate PK data from healthy volunteers to critically ill patients. Linezolid concentrations in the biophase measured by means of the MD method present a valuable basis to individualise linezolid therapy in the critically ill. This more targeted therapy would ensure an effective treatment and minimise the development of bacterial resistance.