Tell el-Amarna nimmt unter den bedeutenden Städten des Neuen Reiches Ägyptens im Hinblick auf die importierte mykenische Keramik eine Sonderstellung ein. Der Bau der neuen Stadt am Ostufer des Nil in Mittelägypten wurde durch Pharao Amenophis' IV. / Echnaton in seinem 5. Regierungsjahr angeordnet und innerhalb kürzester Zeit bezogen. Nach seinem Tod um 1334 v. Chr. in seinem 17. Regierungsjahr wurde die Stadt unter dem neuen Pharao Tutanchamun verlassen und die alte Hauptstadt Memphis als neue Königsresidenz gewählt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine relativ kurze Besiedlungsdauer Tell el-Amarnas. Sie ist die bislang einzige Stadt in Ägypten, die eine so hohe Quantität mykenischer importierter Keramik aufweist. Bemerkenswert ist nicht nur die Quantität, sondern auch der genaue Zeitrahmen, in denen die Gefäße in die Stadt importiert wurden. Sie dienen als archäologischer Beleg dafür, wie eng die gegenseitigen Austauschbeziehungen mit der Mykenischen Kultur zu dieser Zeit waren. Die Handelsverbindungen und der gegenseitige Austausch über große geographische Distanzen hinweg sind durch schriftliche und bildliche Quellen in Ägypten gut dokumentiert. So zeugen Darstellungen von 'Fremdländern', Schiffswracks der Späten Bronzezeit und deren Ladung, Importobjekte unterschiedlicher Art, stilistische Einflüsse im materiellen Kontext und letztendlich auch greifbare Einflüsse auf die ägyptische Gesellschaft davon, dass ein enger kultureller Austausch beider Hochkulturen auf unterschiedlichen Ebenen bestand. Gerade anhand des Distributionsmusters mykenischer Keramik im östlichen Mittelmeerraum und in Ägypten selbst wird diese 'Hoch-Zeit' gegenseitiger Austauschbeziehungen besonders deutlich. So ist in Tell el-Amarna die bislang höchste Konzentration mykenischer Keramik im Vergleich zum Gesamtägyptischen Raum dokumentiert. Als Grundlage für die Analyse und Auswertung des mykenischen Keramikmaterials aus Tell el-Amarna diente das ursprüngliche Objektcorpus vergangener Grabungen, das zum größten Teil rekonstruiert werden konnte. Teil der Arbeit sind Untersuchungen 1) der mykenischen Gefäßformen und des -dekors, 2) des ursprünglichen Herkunfts- und Fertigungsortes (einschließlich Naturwissenschaftlicher Analysen (NAA) an Objekten aus dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung Berlin), 3) zu den Produktions- und Fertigungsprozessen der Gefäße und ihrer ursprünglichen -inhalte, 4) zum Transportwesen und Distributionsmuster mykenischer Keramik in Ägypten. Auf theoretischer Basis bleiben Überlegungen zum ursprünglichen Gebrauch mykenischer Gefäße in Tell el-Amarna und Ägypten.