Das Gen Neuregulin-1 (Nrg1), eines der größten Gene im Genom von Säugetieren, kodiert für eine Vielfalt verschiedener Isoformen, die entweder sezerniert oder als Transmembranmoleküle synthetisiert werden. Alle Nrg1-Isoformen besitzen eine EGF-ähnliche-Domäne, mit der sie an die Rezeptortyrosinkinasen ErbB3 bzw. ErbB4 binden. Diese bilden mit dem Korezeptor ErbB2 heteromere Rezeptoren aus, also ErbB3/ErbB2 bzw. ErbB4/ErbB2. Die Rezeptor-Heteromere werden durch Nrg1-Bindung aktiviert und setzen verschiedene intrazelluläre Signalwege in Gang, die so unterschiedliche zelluläre Antworten wie Proliferation, Migration, Überleben, und Differenzierung hervorrufen [Garratt et al., 2000, Bioessays 22, 987-996]. In den vorgelegten Arbeiten wurden die Verfahren der klassischen und konditionellen Mutagenese eingesetzt, um die Funktionen des Nrg1/ErbB Signalübertragungssystems während der embryonalen Entwicklung bzw. in postnatalen Stadien der Maus zu untersuchen. Während der Embryogenese werden die Nrg-Isoformen Typ I und Typ III u.a. im Endokard bzw. in sensorischen und Motoneuronen exprimiert. Durch einen Vergleich von Mäusen, bei denen gezielt spezifische Isoformen von Nrg1 mutiert wurden, konnte ich zeigen, dass Typ I Nrg1 die Entwicklung des Herzens und der aus der Neuralleiste gebildeten neuronalen Anteile der kranialen Ganglien steuert, während Typ III Nrg1 für die Entwicklung der Vorläufer der Schwann’schen Zellen unerlässlich ist [Meyer et al., 1997, Development 124, 3575-3586]. Da die Nullmutation von Nrg1 bzw. ErbB2/ErbB3/ErbB4 zur embryonalen Letalität führt, entwickelte ich einen Mausstamm, in dem ErbB2 konditionell inaktiviert werden konnte, um die Funktionen von Nrg1/ErbB-Signalen in der postnatalen Maus untersuchen zu können. Initial wurde mittels eines Krox20-cre-Treibers die Rolle des Signalsystems in ausdifferenzierenden myelinisierenden Schwann ’schen-Zellen untersucht [Garratt et al., 2000, J. Cell Biol. 148, 1035-1046]. Diese Untersuchungen zeigten zum ersten Mal, dass Nrg1-ErbB-Signale eine trophische Wirkung auf die Schwann’sche Zelle ausüben, und dadurch die Dicke der Myelinscheide im peripheren Nervensystem kontrollieren. Typ I und Typ III Nrg1-Isoformen werden als transmembran Moleküle synthetisiert und später durch Proteolyse in die extrazelluläre Matrix freigesetzt bzw. auf der axonalen Membran präsentiert. Michael Willem und Christian Haass (LMU, München) konnten in in vitro Experimenten zeigen, dass Typ III Nrg1 durch die Protease β-Sekretase (BACE1) gespalten wird. Die Inhibition dieser Sekretase ist einer der vielversprechendsten Therapieansätze für die Behandlung der Alzheimer Erkrankung, die mit Ablagerungen des Amyloid-Beta-Peptids, einem der Spaltprodukte von BACE1, assoziiert ist. Die physiologische Funktion der β-Sekretase BACE1 war bis vor kurzem ungeklärt, auch eine Nullmutation in der Maus zeigte keinen offensichtlichen Phänotyp. Aufgrund dieser Erkenntnisse galt BACE1 als Hauptziel der Wirkstoffentwicklung für Therapeutika der Alzheimer Erkrankung. Durch Vergleich der Phänotypen im Nervensystem von konditionellen ErbB2-Mutanten mit Mäusen, in denen BACE1 fehlte, konnte ich die essentielle Funktion von BACE1 in der Nrg1-abhängigen Myelinisierung der peripheren Nerven aufdecken [Willem et al., 2006, Science 314, 664-666]. Diese Arbeit lieferte den ersten Beweis dafür, dass die Proteolyse von Nrg1 für die Aktivität des Moleküls in vivo von zentraler Bedeutung ist. Somit müssen in Zukunft mögliche Nebenwirkungen einer auf BACE1-Hemmung basierenden Therapie aufgrund der nachgewiesenen physiologischen Funktion dieser Protease bei der Myelinisierung in Betracht gezogen werden. Nrg1/ErbB Signale aktivieren eine Reihe von Signalpfaden in der Schwann’schen Zelle die deren Entwicklung und Differenzierung steuern. In Zusammenarbeit mit Katja Grossmann, Profs. Carmen und Walter Birchmeier und weiteren Wissenschaftlern wurden Src und MAPKinase als Nrg1 nachgeschaltete Signalpfade identifiziert, die für die frühe Entwicklung und spätere Ausdifferenzierung der Schwann’schen Zelle essentiell sind [Grossmann et al., 2009, PNAS 106, 16704-16709]. Nrg1-ErbB2/ErbB4-Signale sind unabdingbar für die embryonale Entwicklung des Herzens und deren Inaktivierung in der Maus führt zur Letalität am embryonalen Tag E10,5. Untersuchungen an Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom, die mit einer antikörperbasierten Therapie (Herceptin®/Trastuzumab) gegen ErbB2 behandelt wurden, ergaben, dass ein Teil der Frauen an einer Herzinsuffizienz erkrankt war. In Zusammenarbeit mit dem Kardiologen Cemil Özcelik setzte ich einen konditionellen ErbB2-Stamm ein, um die Rolle von Nrg1/ErbB-Signalen im postnatalen Herzen zu untersuchen. Die Versuchsreihe ergab, dass ErbB2 für die Aufrechterhaltung der Pumpfunktion des Herzens benötigt wird [Özcelik et al., 2002, PNAS 99, 8880-8885], und konnte somit erklären, wie eine Behandlung mit Herceptin®/Trastuzumab zu einer Dysfunktion des Herzens führen kann. Die Etablierung genetisch veränderter Mäuse, in denen Nrg1 bzw. dessen Rezeptoren ErbB3/ErbB2 und ErbB4/ErbB2 mittels klassischer und konditioneller Mutagenese inaktiviert wurden, hat es ermöglicht, die Rolle der Nrg1/ErbB-Signalkaskade in der Entwicklung und Funktion des Herzens und sowie des peripheren Nervensystems von Säugetieren aufzuklären. In den letzten Jahren hat sich zunehmendes medizinisches Interesse auf die Funktion von Nrg1/ErbB-Signalen im zentralen Nervensystem fokussiert, da Mutationen in Nrg1, Nrg3 und ErbB4 mit Schizophrenie assoziert wurden. Vor kurzem konnte in Mausmodellen gezeigt werden, dass Nrg1/ErbB4-Signale den Aufbau und die Funktion von inhibitorischen GABA-ergen Schaltkreisen im Gehirn beeinflussen. Die Aufklärung der Rolle von Nrg1/ErbB-Signalen im embryonalen und adulten Gehirn und bei der Ätiologie von Erkrankungen des Nervensystems stellt damit ein sehr spannendes Thema für zukünftige Forschung dar.
The gene Neuregulin-1 (Nrg1), one of the largest in the mamalian genome, encodes a diverse array of protein isoforms, which are either secreted or synthesised as transmembrane molecules. All Nrg1 isoforms possess an EGF-like domain, with which they bind to the receptor tyrosine kinases ErbB3 and ErbB4. These form heteromeric receptors together with the co-receptor ErbB2, i.e. ErbB3/ErbB2 or ErbB4/ErbB2. The heteromeric receptors are activated through binding of Nrg1, leading to stimulation of intracellular signaling pathways, and resulting in distinct types of cellular response such as proliferation, migration, survival and differentiation [Garratt et al., 2000, Bioessays 22, 987-996]. In the work presented here, the techniques of classical and conditional mutagenesis were used in order to investigate the role of the Nrg1/ErbB signal transduction cascade during embryonic development and in the postnatal mouse. During embryogenesis, Types I and III Nrg1 are expressed in the endocard and sensory/motoneurons, respectively. By comparing mice in which specific Nrg1 isoforms were mutated, I could show that Type I Nrg1 drives the development of the heart and of the neural-crest derived neuronal portions of the cranial ganglia, whilst Type III Nrg1 is essential for the development of Schwann cell precursors [Meyer et al., 1997, Development 124, 3575-3586]. Due to the fact that null mutations in Nrg1 as well as ErbB2/ErbB3/ErbB4 lead to embryonic lethality, I generated a mouse strain in which ErbB2 could be conditionally inactivated, in order to investigate the functions of Nrg1/ErbB signals in the postnatal mouse. Initially, the role of the signaling system in differentiating myelinating Schwann cells was analysed using a Krox20-cre driver [Garratt et al., 2000, J. Cell Biol. 148, 1035-1046]. These studies showed for the first time that Nrg1/ErbB serves to mediate trophic signals in the Schwann cell, through which the thickness of the myelin sheath in the peripheral nervous system is controlled. Type I and Type III Nrg1 isoforms are synthesised as transmembrane molecules and subsequently become proteolytically cleaved, whereby they are released into the extracellular matrix or presented on the axonal surface. Michael Willem and Christian Haass (LMU, Munich) could show in experiments in vitro that Type III Nrg1 is cleaved by the protease beta-Secretase (BACE1). The inhibition of this secretase is one of the most promising therapeutic strategies for the treatment of Alzheimer disease, which is associated with formation of plaques containing amyloid-beta-peptide, one of the cleavage products of BACE1. The physiological function of the beta- secretase BACE1 was until recently unclear, and studies of mouse BACE1 null mutants had not revealed any overt phenotypes. Because of this, BACE1 was considered as a suitable major target for the development of therapies for Alzheimer disease. By comparing nervous system phenotypes in conditional ErbB2 mutants with those of mice in which BACE1 was inactivated, I discovered the essential function of BACE1 in the Nrg1-dependent myelination of the peripheral nervous system [Willem et al., 2006, Science 314, 664-666]. This work was the first to show that proteolysis of Nrg1 is critically required for the activity of the molecule in vivo. Due to this, future work directed at development of a therapy against Alzheimer based on BACE1 inhibition has to take into account the function of this protease in myelination and activation of Nrg1 in the nervous system. Nrg1/ErbB signals activate a host of signaling pathways in Schwann cells that regulate their development and differentiation. In work performed together with Katja Grossmann, Profs. Carmen and Walter Birchmeier and other colleagues, Src and MAPKinase were identified as signal pathways downstream of Nrg1, which are essential for the early development and later differentiation of the Schwann cell [Grossmann et al., 2009, PNAS 106, 16704-16709]. Nrg1-ErbB2/ErbB4 signals are crucial for the embryonic development of the heart and their inactivation leads to lethality in the mouse at embryonic day E10.5. Examination of patients with metastatic breast cancer who were treated with an antibody-based therapy (Herceptin®/trastuzumab) against ErbB2 (HER2) revealed that a proportion of the women developed heart failure. Working together with the cardiologist Cemil Özcelik, I used a conditional ErbB2 mouse strain to investigate the role of Nrg1/ErbB signals in the postnatal heart. The experiments revealed that ErbB2 is essential for the maintenance of cardiac function [Özcelik et al., 2002, PNAS 99, 8880-8885] and provided an explanation as to how treatment with Herceptin®/trastuzumab leads to cardiac dysfunction in humans. The establishment of genetically altered mice in which Nrg1 or its receptors ErbB3/ErbB2 and ErbB4/ErbB2 have been inactivated through classical or conditional mutagenesis has enabled researchers to uncover the role of the Nrg1/ErbB signal transduction cascade in the development and function of the mammalian heart and nervous system. In the last decade, much medical interest has focused on the role of Nrg1/ErbB signals in the central nervous system, due to the association of mutations in Nrg1, Nrg3 and ErbB4 with schizophrenia. Recently, it could be shown in mouse models that Nrg1/ErbB4 signals influence the development and function of GABAergic circuits in the brain. The elucidation of the role of Nrg1/ErbB signals in the embryonic and adult brain and in the etiology of diseases of the nervous system provides thus an exciting area of research for the years to come.