Moderne Wahlkämpfe finden in digitalen Medienkanälen vor dem Hintergrund zahlreicher Stimmen statt. Insbesondere auf sozialen Netzwerkplattformen stoßen die Wähler:innen nicht nur auf allerlei Wahlkampfinhalte, die von den Kandidat:innen, ihren Parteien oder Journalist:innen stammen, sondern auch auf die Reaktionen anderer Nutzer:innen auf diese Inhalte. Die vorliegende Dissertation argumentiert, dass gerade rund um prominente Medienereignisse durch die Reaktionen anderer Wähler:innen auf sozialen Netzwerkplattformen ein neuartiger sozialer Kontext entsteht. Weiter wird davon ausgegangen, dass von diesen Kontexten soziale Einflüsse ausgehen, die die Wahrnehmung und Wirkung von Wahlkämpfen beeinflussen. Nach einer konzeptuellen Verortung dieser neuen sozialen Kontexte in der klassischen Wahlkampfliteratur widmet sich die Arbeit einer konkreten Ausprägung dieser Kontexte: der Social TV-Nutzung während im Fernsehen übertragenen Wahldebatten. Darunter wird die parallele Interaktion von Zuschauer:innen einer Wahldebatte mit debattenbezogenen Online-Kommentaren auf sozialen Netzwerkplattformen verstanden. Das Herausgreifen dieses konkreten Ausschnitts moderner Wahlkämpfe ermöglicht die empirische Untersuchung eines solchen Kontextes. Die erste von insgesamt drei Studien beleuchtet die Social TV-Nutzung während TV-Debatten in deutschen Wahlkämpfen und zeigt dabei auf, dass diese Form des Medienmultitaskings durchaus üblich ist. Weiter macht die Studie deutlich, dass der Großteil der Social TV-Nutzer:innen die debattenbezogenen Kommentare mitliest, während nur ein kleiner Teil auch selbst Kommentare verfasst. Eine Untersuchung der Determinanten der Social TV-Nutzung unter den Debattenzuschauer:innen lässt den Schluss zu, dass vor allem junge und internetaffine Menschen parallel zu TV-Duellen mit entsprechenden Online-Kommentaren interagieren. Gleichzeitig finden sich hinsichtlich der politischen Involvierung keine Unterschiede zwischen Debattenzuschauer:innen mit und ohne Social TV-Nutzung. Der Schwerpunkt der empirischen Untersuchungen liegt auf den Effekten, die vom parallelen Verfolgen von Online-Kommentaren auf die Debattenwahrnehmung und die weiterführenden Wirkungen der Debatte ausgehen. In zwei Experimenten findet sich Evidenz für soziale Einflüsse in der Form von Konformitätseffekten. Ganz konkret konnte in einem Labor- wie in einem Umfrageexperiment gezeigt werden, dass sich die Proband:innen in ihrer Bewertung der Debattenleistung einzelner Kandidat:innen den kandidatenbezogenen Evaluationen in parallel verfolgten Online-Kommentaren anschließen. Im Laborexperiment wurden zudem vereinzelt Konformitätseffekte auf die Einstellung zu den Kandidat:innen generell gefunden. Allerdings treten diese Konformitätseffekte nicht für alle Kandidat:innen in allen untersuchten Debattenkontexten auf. In der Arbeit werden mögliche moderierende Faktoren vorgeschlagen und in Teilen auch getestet. Im Rahmen der letzten Studie wird zudem ein kausaler Mechanismus vorgeschlagen, der das Zustandekommen von sozialen Einflüssen ausgehend von der Social TV-Nutzung erklären kann. Für das Vorliegen dieses Mechanismus, der im Kern annimmt, dass die Online-Kommentare die gedankliche Verarbeitung des Debattensendung beeinflusst, wurde in einem Umfrageexperiment empirische Evidenz gefunden.