Die hier vorgelegten Arbeiten belegen gut den therapeutischen Effekt der allogenen HSZT bei bestimmten Leukodystrophien im Kindes- wie im Erwachsenenalter. Obwohl die metabolische Kreuzkorrektur bei den lysosomalen Speichererkrankungen unstrittig ist, profitieren bei diesen Leukodystrophien nur die milderen late onset Verlaufsformen von einer allogenen HSZT. Das sind bei der MLD die juvenile und adult Form, die rechtzeitig in einem präsymptomatischen Zustand bzw. mit erhaltener Kognition transplantiert werden sollten. Bei der schnell progredienten, infantilen Form ist die allogene HSZT wenig effektiv. Insbesondere die periphere Neuropathie mit Entwicklung einer Spastik kann kaum verhindert werden. Ähnliches gilt für die Globoidzell-Leukodystrophie (Morbus Krabbe). Die nicht unerhebliche Therapieletalität sowie Therapiemorbidität der allogenen HSZT besonders bei den quoad vitam weniger bedrohlichen späten Erkrankungsformen ist auch zu berücksichtigen. Wenn die künftigen klinischen Ergebnisse der MLD-Gentherapie die überzeugenden Daten der Zulassungsstudien bestätigen, kann hier die Gentherapie mit einer supranormalen Enzymproduktion zumindest bei der MLD auch die Prognose der infantilen Form verbessern. Insofern ist zu vermuten, dass bei einem überlegenen Sicherheitsprofil mittelfristig die Gentherapie für die MLD und möglicherweise auch für den M. Krabbe die Therapie der Wahl sein kann und die allogene HSZT und noch mehr die Enzymersatztherapie keine bedeutsame Rolle mehr spielen werden. Bei der zerebralen ALD ist der Austausch proinflammatorischer Mikroglia durch gesunde langlebige Spendermakrophagen entscheidend. Hier ist die allogene HSZT effektiver als bei den lysosomalen Erkrankungen des ZNS. Dies gilt zumindest für die frühe Phase der zerebralen Erkrankung mit wenig Demyelinisierung und erhaltener Neurokognition, da einmal eingetretene neurologische Funktionsverluste nicht reversibel sind. Die Therapie ist bei erwachsenen Männern mit zerebralem Verlauf prinzipiell genauso effektiv wie bei Kindern mit der Einschränkung, dass bei Erwachsenen die AMN zusätzliche Funktionseinschränkungen und Therapiekomplikationen mit sich bringt. Ein vollständiges Engraftment und die Vermeidung inflammatorischer Komplikationen wie relevante GVHD sind neben dem Ausgangsstatus entscheidend für ein gutes neurologisches Langzeitergebnis. Insofern ist gerade für fortgeschrittene Patienten eine „milde“ Konditionierung mit einer hohen potentiellen Abstoßungsrate keine geeignete Lösung. Die gerade zugelassene lentivirale Gentherapie (Elivaldogene autotemcel) stellt angesichts eines guten Sicherheitsprofils zumindest für Kinder mit früher CALD und ohne passenden Stammzellspender eine wertvolle zusätzliche Therapieoption da. Sicher wird die Gentherapie auch für den Einsatz bei der adulten CALD erprobt werden. Da die Effektivität der Gentherapie bei weniger frühen Erkrankungsstadien noch nicht belegt ist, ist davon auszugehen, dass für die CALD die allogene HSZT auf absehbare Zeit bedeutsam bleiben wird. In welchem Ausmaß die allogene HSZT durch die Gentherapie irgendwann verdrängt wird, hängt letztlich davon ab, wie gut einerseits die Gentherapie langfristig wirksam, verfügbar und finanzierbar ist und andererseits, inwieweit sich bei der allogenen HSZT lebensbedrohliche Immunreaktionen durch eine Optimierung der Konditionierung und des Stammzellproduktes vermeiden lassen. Von einer möglichen Verbesserung der Konditionierung durch Einsatz stammzelltoxischer Antikörper (158,159) könnten sowohl allogene HSZT wie lentivirale Gentherapie profitieren. Inwieweit ein möglichst vollständiger Spenderchimärismus nach allogener HSZT mit (Teil)Korrektur der Fettstoffwechselstörung eine spätere AMN-Entwicklung günstig beeinflusst und somit Vorteile gegenüber der Gentherapie bringt, muss noch untersucht werden. Davon könnte auch abhängen, ob zukünftig eine allogene HSZT mit sehr geringer Toxizität bei ALD auch „prophylaktisch“ eingesetzt wird. Dann würde man der akut-entzündlichen Demyelinisierung nicht immer quasi hinterherlaufen. Das Therapieprinzip des Austausches defekter Mikroglia spielt übrigens auch bei anderen Leukodystrophieformen eine Rolle, was die Indikation für die allogene HSZT noch erweitern könnte. Für den Erfolg sowohl der allogenen HSZT wie der Gentherapie bei CALD und anderen Leukodystrophien ist aber die frühestmögliche Diagnose entscheidend, der sich aktuell nur über MRT-Verlaufskontrollen bestimmen lässt. Eine Diagnosestellung über Symptome, insbesondere Verhaltensauffälligkeiten, kommt praktisch immer zu spät. Diese unbefriedigende Situation ist nur durch die Einführung eines Neugeborenenscreenings zu lösen. Dies gilt für die lysosomalen Leukodystrophien in ähnlicher Weise. Bei der MLD hilft eine relativ gute Genotyp-Phänotyp-Korrelation die Erkrankungsschwere einzuschätzen. Bei der ALD erschweren die fehlende Genotyp-Phänotyp-Korrelation sowie die Tatsache, dass rund zwei Drittel aller Jungen in der ersten Lebensdekade keine zerebrale Form entwickeln, die Akzeptanz eines Screenings in Deutschland. Hier können eine bessere Würdigung der Addison-bedingten Morbidität sowie leicht bestimmbare Biomarker für den Beginn eines zerebralen Verlaufs anstelle von MRT-Kontrollen in Sedierung zu einer Meinungsänderung führen. Ohne eine zuverlässige Frühdiagnose wird der Anteil relativ weit fortgeschrittener Patienten vor Therapiebeginn hoch bleiben. Solange bleibt dem Transplantationsexperten häufig nur die herausfordernde wie undankbare Aufgabe zu beurteilen, ob eine zelluläre Therapie überhaupt noch angemessen ist. Relativierend muss man noch einmal betonen, dass die in dieser Schrift zusammengestellten Ergebnisse möglicherweise nur für die beschriebenen Transplantationsbedingungen gelten, auch wenn die hier zusammengestellten Daten im internationalen Vergleich große Fallserien darstellen. Prospektive Studien mit toxizitätsreduzierten Protokollen werden zeigen müssen, inwieweit sich die Ergebnisse bestätigen lassen. Dennoch bilden die bisher gefundenen Resultate eine wertvolle Grundlage für heutige Therapieentscheidungen.