Der Ausgangspunkt meines Promotionsprojekts war der Befund eines grundsätzlich wenig beachteten Phänomens in literarischen Texten: nämlich der Leistungen von Partikeln. Dafür bot sich das Prosawerk Barbara Honigmanns an, da der hohe Partikelgebrauch bei ihr im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Autoren besonders auffällt. Die Auseinandersetzung mit sprachlichen Phänomenen in Literatur ist mittlerweile zwar keine Seltenheit mehr, jedoch sind einige nach wie vor wenig erforscht. Seit der Jahrtausendwende nahm das Interesse an diesem Phänomen zwar erkennbar zu. Hier leistete etwa die Leipziger Linguistin Ulla Fix mit ihrem Titel Zwischen den Zeiten, zwischen den Orten, zwischen den Worten zu Johannes Bobrowski einen bemerkenswerten Beitrag. Mein erstes Interesse in der Textanalyse war zu untersuchen, ob durch Partikeln Aussagen relativiert werden. Im Vergleich mit Texten von Esther Dischereit, Grete Weil, Maxim Biller, Doron Rabinovici und Katja Behrens bestätigte sich in statistischen Analysen, dass tatsächlich signifikante Unterschiede zu Honigmann im Hinblick auf Quantität, Verwendung und Verteilung vorliegen. Diese waren im weiteren in ihrer Bedeutung für das Einzelwerk zu interpretieren. Daher lag die Erweiterung des Forschungsfokus auf strukturelle Aspekte nahe, etwa Schriftbildlichkeit, Intertextualität und Intermedialität. Solche sprachlich-stilistische Betrachtungen des gesamten Prosawerks von Honigmann fehlen nach wie vor in journalistisch- publizistischen Beiträgen als auch in wissenschaftlichen Monographien zugunsten der naheliegenden biographischen Kategorien Jüdischkeit, DDR-Erfahrungen oder Weiblichkeit.
Erst Madleen Podewski gab 2008 den Anstoß andere Dimensionen bei der Analyse in Betracht zu ziehen. Sie kritisierte vorherige „Generalisierungen und globale Zuordnungen und schloss, dass die Bewegungs- und Fremdheitssemantik“ bei Honigmann ein „Effekt der formalen Organisation des Textes“ sei. Diese Feststellung bildete die Grundlage meiner weiteren Untersuchungen, deren Leitlinien im folgenden Schema abgebildet sind:
Hier wird erkennbar, wie die verschiedenen Darstellungsweisen und Textsorten mit den behandelten Problemfeldern zusammenwirken und welche Formen der Vermittlung dazu verwendet werden.
Besonders in den drei Werken zu Spurensuchen in ihrer eigenen Familie fällt das widersprüchliche Verhältnis von behaupteter Authentizität, z.B. durch Archivrecherchen, und der Unmöglichkeit einer Wahrheit auf. In den Stadttexten (2008 und 2015) nimmt die Autorin New-York und Straßburg in den Blick. Hier dominieren Wahrnehmung und Organisation des Stadtraumes nach „LängeBreiteNordSüdOstWest“ und deren jeweiliger Begrenzung. Abschließend habe ich erläutert, wie der Begriff des Dazwischen im Sinne dieser Arbeit zu verstehen ist. In den letzten 15 Jahren hörten die Abschiede von dieser Kategorie nicht auf. Leslie A. Adelson beispielsweise polemisierte 2006 in ihrem Manifest gegen das Dazwischen gegen den Soziologismus und die Überpolitisierung bei den Analysen der vorher entstandenen Gastarbeiterliteratur. Dagegen orientiert sich diese Arbeit an den Vorschlägen des Romanisten Ottmar Ette. In seinem Beitrag Littérature(s) sans domicile fixe. Literaturen ohne festen Wohnsitz thematisierte er Phänomene wie Mehrsprachigkeit jenseits aller herkunftspolitischen Differenzen. Die innovative Leistung der vorliegenden Arbeit sehe ich in der Konkretisierung und Übertragung dieser Kategorien auf das Werk Barbara Honigmanns.
The main purpose of this dissertation was the analysis of Barbara Honigmann΄s prose work by interconnecting two areas of German Studies that are actually largely separated. This notwithstanding the many trials since 1960 to combine them: the analysis of literary works and linguistics. The opus of the 1949 in Ex-GDR born Author Barbara Honigmann was characterized or criticized as virtually unparalleled in terms of “Schlichtheit” or simplicity. However, it is anything but simple. The analysis shows the complexity of her work and the several identities she took in her novels and critical writings since 1986. The youth of Barbara in Eastern Berlin was characterized by the hiatus between the political expectations of her parents as returned emigrants from the western exile and the apparent reality of the socialist state. This strongly affected her life and is clearly reflected in her works. Till the beginning of 1980s, Judaism seems to have no importance in Honigmann´s life, but then she decided to go back to the roots and to explore the religion of her ancestors. This venturing step will later have a strong bearing on both her writing and private life and still one of the most motives in her work. Since then she moved however to Strasbourg, one of the biggest Jewish settlements in Europe, where she lives and write (merely in German) since more than three decades. My dissertation considers three layers of Honigmann´s opus. The first part of the work focuses on her use of language and especially of particles as well as all related aspects of communication and dialog. The work of Honigmann is a rich source for situations of misunderstanding, double sense, omission and distortion of facts. These aspects are so far underrepresented in relevant studies about her work, in favor of the well-known aspects of Judaism, ex-communism and exile. The second part focuses on what I called “Spurensuche” in the triology about mother (in Ein Kapitel aus meinem Leben), father and her former lover A. (In Bilder von A. and Georg). The last part investigates both work about New York and Strasbourg in “Das überirdische Licht. Rückkehr nach New York and Chronik meiner Straße. Here the focus is layed especially on space and time perception as well as on the phenomenon of multilingualism. While analyzing the second half of Honigmann´s work I expanded the focus to other phenomena like “picturality of writing”, “intermediality” and “intertextuality”. The analysis of Honigmann´s work shows a multiple forms of “In-betweenness” regarding time, place and the configuration inside the works. For that reason I chose the title „poetics of in-between “.