Gefangenensuizide in zehn südamerikanischen Ländern: Inzidenzraten, relatives Risiko, und ökologische Faktoren

Abstract

Suizidraten in Strafvollzugsanstalten und damit assoziierte Faktoren sind in Ländern mit hohem Einkommen untersucht worden. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen stehen jedoch wenige bis keine Daten diesbezüglich zur Verfügung. Gegenstand der vorgelegten Arbeit war es, Suizidraten in der Gefangenenbevölkerung in Südamerika zu bestimmen, diese mit Suizidraten in der Allgemeinbevölkerung zu vergleichen, und Faktoren zu untersuchen, die mit Gefangenensuiziden assoziiert sind. In einer retrospektiven Beobachtungsstudie sammelten wir aus Primärquellen für die Jahre 2000 bis einschließlich 2017 die Anzahl der Gefängnissuizide, Inhaftierungsraten, und Belegungsraten im Strafvollzug in 10 Ländern Südamerikas. Wir verglichen Suizidraten in den Gefängnissen und der Allgemeinbevölkerung, indem wir das Inzidenz-Verhältnis berechneten. Anhand von Regressionsanalysen testeten wir mögliche Korrelationen zwischen Inhaftierungsraten, Belegungsraten, Suizidraten in der Allgemeinbevölkerung, Geschlecht und Jahr mit den Gefangenensuiziden. Wir erhielten Information zu 1.324 Suiziden, die über 4.437.591 Personen-Jahre im Strafvollzug zwischen 2000 und 2017 berichtet wurden. Für Männer und Frauen zusammen war die durchschnittliche Suizidrate im Strafvollzug 40 (95%KI 16 bis 65) per 100.000 Personen-Jahre. Suizide unter Gefangenen zeigten eine negative Korrelation mit Belegungsraten in Gefängnissen. Wir fanden ein gewichtetes durchschnittliches Inzidenz-Verhältnis zwischen Gefangenen- und Allgemein-Bevölkerung von 2,4 (95%KI: 1,9 bis 3,1) für Männer, 13,5 (95%KI 6,9 bis 26,9) für Frauen, und 3,9 (95%KI 3,1 bis 5,1) für beide Geschlechter zusammen. Inhaftierte, insbesondere Frauen, haben ein erhöhtes Risiko für Suizid im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung. Gefangenensuizide in Südamerika stellen ein dringendes Problem für die öffentliche Gesundheit in der Region dar. Weitere Risikofaktoren sollten bestimmt werden, um gezielte Prävention zu entwickeln und systematisches Screening sollte in dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe in Betracht gezogen werden.

Prison suicide rates and associated factors have been studied in high-income countries. However, little to no data is available in low- and middle-income countries. The aim of the present study was to collect suicide rates in the prison population of South America, to compare them with suicide rates in the general population, and to investigate associated factors. In a retrospective observational study, we collected the number of gender-specific prison suicides, incarceration rates, and prison occupancy rates from primary sources in 10 countries in South America for the years 2000 to 2017. We compared suicide rates in prisons and the general population by calculating incidence rate ratios. Using regression analyses, we tested for correlations incarceration rates, occupancy rates, suicide rates in the general population, gender, and year with prison suicide rates. We collected information on 1,324 suicides reported over 4,437,591 person-years in prisons between 2000 and 2017. For both genders, the mean weighted suicide rate in prisons was 40 (95% CI 16 to 65) per 100,000 person-years. Prison suicides showed a negative association with occupation rates in prisons. We found a mean weighted incidence ratio between the prisoner population and the general population of 2.4 (95% CI: 1.9 to 3.1) for men, 13.5 (95% CI 6.9 to 26.9) for women, and 3.9 (95% CI 3.1 to 5.1) for both genders. People involved with the criminal justice system, especially women, are at greater risk of suicide than the general population. Prisoner suicides in South America are an urgent public health issue in the region. Additional risk factors should be identified and targeted prevention strategies need to be developed. Systematic screenings should be considered in this vulnerable population.