Die vorliegende Dissertation behandelt den Bereich des durch kulturelle Sozialisationsprozesse bedingten Verständnisses von Natur und dessen möglichen Einfluss auf die Bildungswahl von Eltern im Elementarbereich. Angesiedelt ist die Studie im Fachbereich der Allgemeinen Erziehungswissenschaften. Die Studie stellt das pädagogische Konzept der Natur- und Waldkindergärten in den Fokus und greift die Beobachtung einer starken Unterrepräsentation von Kindern mit Migrationsgeschichte in diesen Einrichtungen auf. Es wird davon ausgegangen, dass neben einer Vielzahl an Kriterien in der Bildungswahlentscheidung für eine Einrichtung des Elementarbereiches für diese konzeptionelle Form des Kindergartens das Verständnis von Natur eine ausschlaggebende Rolle spielt. Für die kulturell bedingte Sozialisation der Eltern in Bezug auf das Naturverständnis wird für die vorliegende Studie weiterhin angenommen, dass sich dieses von dem deutscher Eltern unterscheidet und entsprechend eine Anmeldung in einem Natur- und Waldkindergarten beeinflusst. Die Dissertation ist als empirisch-qualitative Vergleichsstudie mit drei Vergleichsgruppen konzipiert und umfasst die pädagogischen Konzepte der Natur- und Waldkindergärten, Kindergärten mit regelmäßigem naturpädagogischem Angebot sowie Regelkindergärten anderer Schwerpunkte. Die unterschiedliche Intensität von Naturerfahrung in den Einrichtungen soll den möglichen Einfluss des Naturverständnisses der Eltern auf die Bildungswahl verdeutlichen. Die Daten wurden mit Hilfe eines Leitfadeninterviews erhoben. Es wurden 24 Interviews mit Müttern oder Vätern nicht-deutscher Herkunft erhoben, d.h. Elternteilen mit Geburtsort und Primärsozialisation außerhalb Deutschlands, um die Genese des Naturverständnisses kulturell dem jeweiligen Herkunftsland zuschreiben zu können. Die Eltern hatten bereits ein oder mehrere Kinder im Kindergartenalter bzw. standen vor der Entscheidung für eine Einrichtung des Elementarbereichs, um sicherzustellen, dass sie sich umfassend mit der Thematik Bildungswahl auseinandergesetzt haben. Neben der Herkunft als essentielles Merkmal dieser Studie wurden weitere personenrelevante Daten, wie der Bildungsstand oder die berufliche Tätigkeit, für die sekundäre Interpretation der Daten herangezogen. Die Datenauswertung erfolgte in einem mehrstufigen, deduktiv-induktiven Auswertungsvorgang nach den wissenschaftlichen Richtlinien der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) und Schreier (2014) sowie mit Hilfe der Typenbildung nach Kelle & Kluge (2010) und Kuckartz (2016). Im Ergebnis lässt sich für die Studie Folgendes festhalten: Das kulturell sozialisierte Naturverständnis der interviewten Elternteile unterscheidet sich nicht wesentlich von dem deutscher Eltern. Vielmehr ist eine Vielzahl unterschiedlicher Naturverständnisdimensionen erkennbar. Diese scheinen jedoch keinen oder nur einen sehr geringen Stellenwert für die Bildungswahlentscheidung im Elementarbereich zu haben. Das pädagogische Konzept als ausschlaggebendes Kriterium in der Elementarbildungswahl wird von den Eltern weitestgehend vernachlässigt und unterliegt insbesondere organisatorischen Aspekten (wie Lage, Betreuungszeiten, Kosten). Es ist erkennbar, dass Eltern in Natur- und Waldkindergärten eher bereit sind, Abstriche im organisatorischen Kontext zu machen, um eine Betreuung ihrer Kinder in diesen Einrichtungen zu ermöglichen. Es zeigte sich zudem, dass bei den Eltern nicht-deutscher Herkunft ein Informationsleck zur pädagogischen Vielfalt an Einrichtungen in Deutschland besteht und Natur- und Waldkindergärten oftmals entweder gar nicht bekannt sind oder falsch assoziiert werden. Auch die aktuelle Kitaplatzsituation spielt eine entscheidende Rolle in der Bildungswahlentscheidung der Eltern, so dass in vielen Fällen eher ein Entscheidungsdruck bzw. ein Wahlzwang in Hinsicht auf den angebotenen Kindergartenplatz besteht. In einer abschließenden typenbildenden Inhaltsanalyse ließen sich zwei Elterntypen herausarbeiten: Typ 1 – Sicherheit und Praktikabilität sowie Typ 2 – Organisation vor Kompetenzvermittlung, denen jedoch nur wenige der Interviewpartner zugeordnet werden konnten. Die Mehrheit der Interviewpartner ließ sich nicht in Typen kategorisieren, was darauf hindeutet, dass das Thema Bildungswahl hoch komplex und persönlich behandelt werden muss und das Ergebnis untermauert, dass das kulturelle Naturverständnis keinen bzw. einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Bildungswahl im Elementarbereich ausübt.