Das Ziel dieser Literaturstudie war es, den Forschungsstand auszuwerten, der sowohl Umwelt- als auch Verteilungswirkungen im Verkehrsbereich analysiert. Dazu konnten anhand der in Abschnitt 1 dargelegten Such- und Kategorisierungsstrategie ca. 300 Studien identifiziert und kategorisiert werden. Die in dieser Literatur am häufigsten untersuchten ökologischen Wirkungen sind Emissionen von Treibhaugasen und Luftschadstoffen. Umweltwirkungen sind auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ungleich verteilt - hier werden vor allem Luftschadstoffe und Lärm in ihren (indirekten) Verteilungswirkungen analysiert. Andere Umweltveränderungen, beispielsweise Landschafts-, Wasser- und Bodenwirkungen oder die Senkenfunktionen der Umweltmedien werden hingegen kaum unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Bezüglich der Verkehrsarten wird vorrangig der motorisierte Individualverkehr auf Umwelt- und Verteilungswirkungen hin betrachtet, gefolgt vom ÖPNV. Der Flugverkehr hingegen wird wenig auf Umwelt- und damit verbundene Verteilungswirkungen untersucht, genauso wenig wie der Rad- und Fußverkehrs, der Schiffs- und Schienenverkehrs sowie die verschiedenen Formen des Güterverkehrs. Hinsichtlich der betrachteten Bevölkerungsgruppen wird mit Abstand am häufigsten auf Einkommensgruppen fokussiert. Am zweithäufigsten werden Pendelnde und Stadt/Land-Unterschiede untersucht. Gelegentlich wird das Alter als demographische Eigenschaft, sowie der Haushaltstypus bzw. Familienstatus berücksichtigt. Im Gegensatz dazu werden beispielweise die Eigenschaften Gender, Ethnie, gesundheitliche Disposition oder Angstempfinden kaum betrachtet, obwohl hier maßgebliche Verteilungswirkungen erwartet werden können. Des Weiteren wird kaum auf Vermögen ergänzend zu Einkommen eingegangen, obwohl dadurch ökonomische Ungleichheit unzureichend abgebildet werden könnte. An diesen Stellen zeigen sich Forschungslücken. Die Umwelt- und Gesundheitswirkungen des gegenwärtigen Verkehrssystems werden in der Literatur als tendenziell ungleich in der Bevölkerung verteilt herausgestellt. Insbesondere die Belastung durch verkehrsinduzierten Luftschadstoffen und Lärmemissionen sei stärker ausgeprägt für Personen mit geringem Einkommen, geringerer Bildung und Migrationsgeschichte und ist somit als regressiv zu bewerten. Limitierend wirkt jedoch, dass umfassenden Datensätzen fehlen, welche die Analyse von Verteilungswirkungen im Verkehrsbereich anhand hochauflösender verkehrlicher und sozioökonomischer Daten auf möglichst kleinräumiger Ebene ermöglichen. Weitere Forschung würde besonders von der Erhebung neuer und Verschneidung bestehender Datensätze profitieren. Neben dem Verkehrssystem als Ganzes wurde der Forschungsstand in Hinblick auf Verteilungswirkungen der gegenwärtig genutzten verkehrs- und umweltpolitischen Instrumente mit Verkehrsbezug ausgewertet. Die betrachteten Instrumente lassen sich wie folgt kategorisieren: 1. Verkehrspolitische Instrumente, zu denen Befunde zu tendenziell sowohl negativen Umweltwirkungen wie auch negativen Verteilungswirkungen vorliegen: Dienst¬wagen¬besteuerung, Kraftstoffsteuern, Entfernungspauschale, (zu geringe) Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie Parkgebühren. 2. Instrumente mit Befunden zu tendenziell positiven Umweltwirkungen, aber negativen Verteilungswirkungen: Kaufprämie für E-Pkw und Plug-In-Hybride, die Dienstwagenbesteuerung für E-Autos, den Ausbau von Ladeinfrastruktur, den Mehrwertsteuersatz von 7 % im Bahn-Fernverkehr, das deutsche Emissionshandelssystem (CO2-Bepreisung) sowie die (niedrige) Luftverkehrsabgabe. 3. Instrumente mit Befunden zu sowohl positive Umweltwirkungen als auch positive Verteilungswirkungen: Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, des Fuß- und Fahrradverkehrs sowie die CO2-Komponente der gegenwärtigen Kfz-Steuer. Für viele dieser Instrumente werden in der gesichteten Literatur Reformvorschläge erarbeitet, welche sowohl die Umwelt- als auch Verteilungswirkungen verbessern könnten. Zusätzlich werden in der Literatur neue Instrumente im Hinblick auf Umwelt- und Verteilungswirkungen untersucht, wie bspw. ein Bonus-Malus-System für Pkw, eine Reform der CO2-Bepreisung, die Einführung einer Pkw-Maut und eine Erhöhung der Flugverkehrsabgabe. Regelmäßig wird hier auch die Verwendung zusätzlicher Steuereinnahmen analysiert, die mit dem jeweiligen Instrument verbunden wären. Zum Teil sind die Befunde zu einzelnen Instrumenten in Bezug auf Umwelt- und Verteilungswirkungen widersprüchlich. Begründet liegt das in unterschiedlich gezogenen Systemgrenzen sowie gewählten Indikatoren beispielsweise hinsichtlich der berücksichtigten Umweltwirkungen, Verteilungswirkungen, Bevölkerungsgruppen sowie indirekten Wirkungen. Ein einheitlicheres Vorgehen zur Untersuchung von Verteilungswirkungen könnte hier die Vergleichbarkeit maßgeblich erhöhen. Augenfällig wurde auch, dass einige verkehrs- und umweltpolitische Instrumente, welche sich prominent in der öffentlichen Diskussion finden, in der Literatur aus Verteilungs- und Umweltperspektive kaum beleuchtet werden: beispielsweise Fahrverbote, Verbote bestimmter Antriebstechnologien, alternative Kraftstoffe oder Emissionsgrenzwerte. Außerdem werden bestehende Verkehrsinfrastrukturen und potenzielle Reformen dieser kaum hinsichtlich ihrer Verteilungswirkungen untersucht, obwohl davon maßgebliche ökologische und damit verbundene Verteilungseffekte ausgehen dürften. Insbesondere vor dem Hintergrund technischer und sozialer Innovationen zukünftiger Mobilitätsformen finden sich hier jeweils weitere Forschungsbedarfe.
View lessThe current design of the German Value Added Tax (VAT) sets several ecological disincentives. In particular, the VAT reduction for meat and animal products should be abolished and changed to the regular rate of 19%. The expected changes in consumption would save up to 6 million t / year of greenhouse gas emissions, create further positive environmental impacts, and generate additional tax revenues of €2-5 billion / year. To avoid social hardship, the reduced VAT rate for plant-based foods could be reduced to 5%. Furthermore, the value-added tax for labor services of energy retrofits should be reduced to 7%: This could lead to greenhouse gas emission savings of 1 million t/year of reduced VAT as well as additional employment and value-added impulses with simultaneous tax losses of €1.2 billion/year. In addition, minor repairing should be promoted with the reduced VAT rate. Furthermore, donations in kind by companies (e.g. inventories, returns) can be exempted from VAT to avoid destruction of usable goods. The ongoing reform process of the EU VAT Directive, which provides the framework for the admissibility of reduced rates, should be used to create room for maneuver for a more extensive greening of VAT. It seems well suited to promote the most environmentally friendly products and services in various market segments with a reduced rate. Additionally, it could be used to allow for a reduced rate for the repair of consumer goods such as electrical and electronic equipment and furniture. Taxes on consumption (or “excise duties”) are another starting point for greening con-sumption. In the German financial constitutional law, taxes on consumption are narrowly defined. They must regularly apply to "goods for permanent use”. Options for taxes on consumption with intended ecological effects are, for example, a tax on the consumption of cement (coupled with carbon contracts for differences for largely climate-neutral cement), the exemption of sustainable coffee from coffee tax and a tax on carrier bags. Other economic instruments that have been examined include a pricing of air freight within the framework of an air freight tax, the transfer of costs to manufacturers of single-use plastic products within the framework of extended producer responsibility, and a deposit on lithium-ion batteries. Amending the financial constitutional requirements of the German Basic Law could provide additional room for maneuver to use economic instruments in order to further ecological aims e.g. by explicitly allowing "environmental levies" or "levies on emissions". Value-added tax and taxes on consumption can primarily achieve environmental effects in private consumption. Environmental effects of production can only be addressed indirectly and imprecisely. Manufacturers are indirectly affected by the change in consumption, but not in their competitive position vis-à-vis foreign suppliers. It is more likely to introduce VAT reforms and new taxes on consumption on the national level that at EU (or international) level. Still, this can provide impetus for more far-reaching international initiatives.
View lessDie aktuelle Ausgestaltung der Mehrwertsteuer setzt eine Reihe ökologischer Fehlanreize. Insbesondere die Mehrwertsteuerermäßigung für Fleisch und tierische Produkte sollte daher abgeschafft werden. Durch die zu erwartenden Veränderungen im Konsum würden bis zu 6 Mio. t/Jahr Treibhausgasemissionen eingespart, weitere positive Umweltwirkungen erzielt und zusätzliche Steuereinnahmen von 2-5 Mrd. €/Jahr generiert. Um soziale Härten zu vermeiden, könnte parallel der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für pflanzliche Lebensmittel auf 5% gesenkt werden. Außerdem sollte die Umsatzsteuer für Arbeitsleistungen energetischer Sanierungen auf 7% reduziert werden: Einsparung von Treibhausgasemissionen in Hö-he von 1 Mio. t/Jahr und zusätzliche Beschäftigungs- und Wertschöpfungsimpulse bei gleichzeitigen Steuerausfällen von 1,2 Mrd. €/Jahr wären zu erwarten. Zudem sollten kleine Reparaturdienstleistungen mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz gefördert werden. Darüber hinaus wird empfohlen Sachspenden von Unternehmen (z.B. Lagerbestände, Rückläufe) von der Umsatzsteuer zu befreien, um Warenvernichtung zu vermeiden. Der laufende Reformprozess der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die den Rahmen für die Zulässigkeit reduzierter Sätze vorgibt, sollte genutzt werden, um Handlungsspielräume für eine weitergehende Ökologisierung der Mehrwertsteuer zu schaffen. Denkbar wäre es, die umweltfreundlichsten Produkte und Dienstleistungen in verschiedenen Marktsegmenten mit einem reduzierten Satz zu fördern sowie den reduzierten Satz für die Reparatur von Gebrauchsgegenständen wie Elektro-, Elektronikgeräte und Möbel zu ermöglichen. Verbrauchsteuern sind ein weiterer Ansatzpunkt für eine Ökologisierung des Konsums. In der deutschen Finanzverfassung sind Verbrauchsteuern eng gefasst. Sie müssen sich regelmäßig auf „Güter des ständigen Bedarfs“ beziehen. Optionen für Verbrauchsteuern mit ökologischer Lenkungswirkung sind z.B. eine Verbrauchsteuer auf Zement (gekoppelt mit Klimaschutzverträgen für weitgehend klimaneutralen Zement), die Befreiung nachhaltigen Kaffees von der Kaffeesteuer und eine Steuer auf Einkaufstragetaschen. Weitere ökonomische Instrumente, die untersucht wurden, sind eine Bepreisung von Flugfracht im Rahmen einer Flugfrachtsteuer, die Kostenübertragung auf Hersteller von Einwegkunststoffprodukten im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung und ein Pfand auf lithiumhaltige Akkus. Zusätzliche Handlungsspielräume, um durch ökonomische Instrumente eine ökologische Steuerungswirkung zu erreichen, könnten durch eine Änderung der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes erschlossen werden – z.B. indem „Umweltabgaben“ oder „Abgaben auf Emissionen“ ausdrücklich zugelassen werden. Die Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern können vor allem ökologische Wirkungen beim privaten Konsum erzielen. Umweltwirkungen der Produktion werden nur indirekt und unpräzise adressiert. Hersteller sind durch die Konsumveränderung mittelbar betroffen, nicht jedoch in ihrer Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Anbietern. Eine nationale Ein-führung ist daher eher möglich und sie kann Impulse für weiterreichende internationale Initiativen geben.
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