Hintergrund: Die Arbeit von Musiker*innen ist durch hohe körperliche und psychische Belastungen gekennzeichnet, die sich in verschiedenem Maße auf den Gesundheitszustand und die Berufsfähigkeit auswirken können. Aufgrund der Spezifität, Komplexität und Folgenschwere der durch das Musizieren hervorgerufenen Beschwerden hat sich der medizinische Fachbereich der Musikermedizin gebildet, der gerade in Großstädten mit einer lebendigen Kulturszene, wie sie auch in Berlin zu finden ist, an Bedeutung gewinnt. Diese Funktion wird seit 2016 in Berlin u. a. von dem Berliner Centrum für Musikermedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin (BCMM) übernommen. Der reale medizinische Behandlungsbedarf von Musiker*innen in Berlin und Brandenburg und die eingeschlagenen Versorgungswege sind bislang weitgehend unbekannt. Ziel: Mit dieser Arbeit sollen das Spektrum von musikermedizinischen Beschwerden und die bestehende Behandlungsstruktur skizziert und individuelle Hindernisse und Wünsche im Behandlungsverlauf besser verstanden werden. Es wird angenommen, dass die Behandlungsverläufe der Musiker*innen vor Vorstellung in der Musikersprechstunde durch mangelnde Integration von Diagnostik und Behandlungsversuchen und unzulängliche Berücksichtigung musikerspezifischer Ursachen und Symptome gekennzeichnet sind. Methodik: Die Untersuchung wurde als explorative Querschnittstudie mit einmaligem Befragungszeitpunkt konzipiert. 42 Musiker*innen, die sich im Zeitraum von April 2015 bis Oktober 2016 in der musikermedizinischen Sprechstunde der Charité – Universitätsmedizin Berlin vorstellten, wurden mit einem digitalen, für diese Studie entwickelten Fragebogen befragt. Die statistische Auswertung erfolgte quantitativ deskriptiv und teilweise qualitativ für ein vertieftes Verständnis. Ergebnisse: Muskuloskelettale Beschwerden waren der Hauptgrund für die Vorstellung in der Musikersprechstunde, in geringerem Maße Auftrittsängste und Hörstörungen. Vor Kontaktaufnahme mit der Musikersprechstunde wurden häufig mehrere diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt. Schwierigkeiten im Behandlungsverlauf wurden auf strukturelle und fachliche Mängel im Versorgungssystem und die Musikerspezifität der Beschwerden zurückgeführt. Auf struktureller Ebene würde u. a. eine mangelhafte Vernetzung der medizinischen Anlaufstellen untereinander zu einer verzögerten Diagnostik und konsekutiv verzögertem Therapiebeginn führen. Auf personeller Ebene fehle es den Behandelnden oftmals an ausreichender Fach- bzw. Sachkenntnis, um spezielle musikerspezifische Beschwerden adäquat einschätzen und behandeln zu können. Schlussfolgerungen: Die in Berlin und Brandenburg erhobenen Daten decken sich bezüglich des Spektrums der musikermedizinischen Beschwerden und der in Anspruch genommenen medizinischen Maßnahmen mit anderen national und international beschriebenen Ergebnissen. Der Untersuchungsansatz konnte nicht klären, ob problematische Behandlungsverläufe auf eine mangelnde Verknüpfung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im nicht-musikermedizinischen Versorgungssektor zurückzuführen sind. Jedoch wurde gezeigt, dass Ansätze für eine Verbesserung der medizinischen Versorgungslage in der Kommunikation der Versorgenden untereinander sowie in der flächendeckenden Bekanntmachung der Möglichkeit der musikermedizinischen Beratung zu finden sind.
Background: The work of musicians is characterized by unique physical and mental demands that can have effects on their health and ability to perform. The discipline of music medicine has gained importance in response to the specificity, complexity, and impact of afflictions faced by musicians. However, the actual need for medical help and the treatment strategies chosen remain largely unknown for musicians in Berlin and Brandenburg where the Centre for Music Medicine at Charité Berlin (BCMM) offers musician-specific care including medical advice and treatment. Objective: This study outlines the spectrum of medical afflictions suffered by musicians and the structures to deal with them. The intent is to better understand barriers faced and individual wishes expressed in the course of treatment. It is presumed that in the absence of musician-specific medical advice the course of medical treatment has been characterized by a lack of integration of diagnostics and treatment as well as insufficient consideration of the specificity of causes and symptoms. Methodology: This study was conducted as an exploratory cross-sectional study with a single survey. 42 participants who sought musician-specific care at Charité in the period 04/2015 - 10/2016 were surveyed with a digital questionnaire designed for this study. The collected data were analyzed quantitatively using descriptive statistics and partially qualitatively for further insight. Results: Musicians primarily sought treatment for musculoskeletal issues and, to a lesser extent, for performance anxiety and hearing impairment. Most participants had a record of several diagnostic and therapeutic attempts before consulting musician-specific care. Difficulties in treatment were attributed to structural and professional deficiencies in the health care system and the specificity of the symptoms. On the structural level, insufficient communication between medical consultants was associated with delayed diagnostics and therapy. On the professional level, consulted physicians were often described as lacking sufficient knowledge to adequately assess and treat musician-specific symptoms. Conclusions: These data, collected in Berlin and Brandenburg, correspond with other nationally and internationally published results regarding the spectrum of afflictions and diagnostic and therapeutic measures undertaken. This study did not collect evidence about a potential lack of integration of diagnostics and treatment in non-musician-specific care. It was shown that communication and coordination between health care providers could be improved, and awareness could be raised about the possibility to consult a specialist in musician-specific care.