Hintergrund: Neuronale Autoantikörper können bei klassischen paraneoplastischen neurologischen Syndromen, jedoch auch außerhalb von Tumorerkrankungen auftreten. Sie können gegen intra- oder extrazelluläre Antigene gerichtet sein und unterscheiden sich im Pathomechanismus, der Tumorassoziation und dem Therapieansprechen. Antikörper gegen extrazelluläre neuronale Oberflächenproteine wurden bei einer großen Anzahl von Patienten mit Tumorerkrankungen, einschließlich dem malignem Melanom, gefunden. Ihr Auftreten war dabei mit kognitiven Defiziten assoziiert und es fanden sich insbesondere Antikörper gegen N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren (NMDAR) vom IgA- und IgM-Isotyp. Bisher wurden diese Antikörper bei Patienten mit unklassifizierten Demenzen, aber auch bei gesunden Kontrollprobanden und bei anderen neurologischen Erkrankungen beschrieben. Prospektive systematische Untersuchungen über deren Auswirkungen auf kognitive Funktionen liegen bislang nicht vor.
Methodik: In dieser Querschnittsstudie sollte an 157 Patienten mit malignem Melanom die Seroprävalenz neuronaler Autoantikörper untersucht werden. Zur Testung auf neuronale Antikörper im Serum wurden Zell-basierte Immunfluoreszenz-Verfahren mit Human-Embryonic-Kidney(HEK)293-Zellen und neuronale Gewebsfärbungen verwendet. Ein Teil der Patienten erhielt zudem eine detaillierte neurologische und neuropsychologische Untersuchung, wobei Patienten mit potentiellen Störfaktoren für die kognitive Leistung (Hirnmetastasen, Depression oder Schlaganfall) ausgeschlossen wurden.
Ergebnisse: Neuronale Antikörper konnten bei 22,3% der Melanom-Patienten nachgewiesen werden. Insgesamt traten bei 17,8% der Patienten Antikörper gegen neuronale Oberflächenantigene auf. Am häufigsten lagen Antikörper gegen NMDAR vom IgA- und IgM-Isotyp vor (bei insgesamt 15,9%). Antikörper gegen intrazelluläre Antigene fanden sich bei 6,5% der Patienten. Nach den Kriterien der International Cognition and Cancer Task Force (ICCTF) hatten 36,9% der 84 neuropsychologisch getesteten Patienten eine kognitive Beeinträchtigung. Interessanterweise zeigten Antikörper-positive Patienten häufiger eine kognitive Beeinträchtigung gegenüber Antikörper-negativen Patienten (57,1% vs. 30,2%, Odds Ratio: 3,1, 95%CI: 1,1-8,6; p=0,037). Antikörper-positive Patienten wiesen darüber hinaus im Vergleich zu Antikörper-negativen Patienten signifikant häufiger Defizite in kognitiven Untertests sowie einen signifikant geringeren kognitiven Gesamtscore auf. Betroffene kognitive Domänen waren dabei das visuelle Gedächtnis, das Arbeitsgedächtnis sowie Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktion. Ähnliche Ergebnisse folgten aus einer Subgruppenanalyse mit den NMDAR-Antikörper-positiven Patienten. Bei diesen Patienten wurde zusätzlich eine Titer-abhängige Zunahme des Auftretens kognitiver Beeinträchtigungen erkennbar. Eine positive Anamnese für Autoimmunerkrankungen war signifikant häufiger mit einem NMDAR-Antikörper-Nachweis assoziiert. Auch wiesen Patienten unter der Therapie mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Ipilimumab signifikant häufiger neuronale Antikörper auf. Antikörper gegen intrazelluläre Antigene waren dagegen mit Auffälligkeiten in der neurologischen Untersuchung verbunden.
Schlussfolgerung: Zusammenfassend zeigte sich, dass neuronale Antikörper einen möglichen Faktor in der Pathogenese von Tumor-assoziierten kognitiven Defiziten darstellen. Außerdem lässt sich schlussfolgern, dass bei kognitiven und neurologischen Auffälligkeiten bei Melanom-Patienten eine neuronale Antikörperdiagnostik in der diagnostischen Aufarbeitung erwogen werden sollte.
Neuronal autoantibodies can occur in classical paraneoplastic neurologic syndromes with tumors but also without an underlying tumor disease. They can be directed against intracellular or extracellular antigens. Recently, a high frequency of antibodies against extracellular neuronal surface antigens has been identified in a retrospective study of tumor patients including melanoma patients. Antibody occurrence was associated with cognitive deficits. Most frequently detected antibodies were directed against N-methyl-D-aspartate-receptors (NMDAR) and consisted of the IgA and IgM isotypes. Prior to that, these antibodies had been found in patients with unclassified dementias but also in healthy control groups or patients with other neurologic diseases. So far, there are no systematic prospective investigations about their effects on detailed cognitive functions. Methods: In this cross-sectional study including 157 patients with malignant melanoma the prevalence of neuronal autoantibodies was examined by serum testing using cell-based immunofluorescence assays with human embryonic kidney(HEK)293 cells and neuronal tissue staining. Additionally, a neuropsychological and a neurologic examination was performed in a subgroup of patients. Antibody-positive and antibody-negative patients were compared after exclusion of patients with confounders for the cognitive performance (brain metastases, depression or stroke). Results: Neuronal antibodies were found in 22.3% of melanoma patients. Antibodies against neuronal surface antigens were observed in 17.8% of all patients and mainly consisted of IgA or IgM antibodies against NMDAR (15.9%). Antibodies against intracellular antigens were present in 6.5% of the patients. In the group of the 84 neuropsychologically tested patients 36.9% had cognitive impairment following the International Cognition and Cancer Task Force (ICCTF) criteria. Interestingly, there was a higher risk for cognitive impairment in antibody-positive patients compared to antibody-negative patients (57.1% vs. 30.2%, odds ratio: 3.1, 95%CI: 1.1-8.6; p=0.037). Antibody-positive patients had significantly more deficits in cognitive subtests and a significantly lower composite cognitive score versus antibody-negative patients. Affected cognitive domains included visual memory, working memory, attention and executive function. Similar results were present in a subgroup analysis of the NMDAR-antibody-positive patients. These patients also showed a titer-dependent increase of cognitive impairment. Neuronal antibodies were associated with coexisting autoimmune diseases and a therapy with the checkpoint inhibitor Ipilimumab. On the other hand, antibodies to intracellular antigens were significantly related to deficits in the neurologic exam. Conclusion: In summary, neurologic antibodies seem to contribute to the pathogenesis of cancer-related cognitive impairment. Furthermore, melanoma patients should be tested for neuronal antibodies in the diagnostic workup if there are signs for cognitive of neurologic deficits.