Akupunktur wird zur Behandlung von Erkrankungen des Magen-Darm-Systems angewendet. Es konnte ein Nutzen der Akupunktur bei postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV) und chemotherapieinduzierter Übelkeit und Erbrechen in klinischen Studien gezeigt werden. Zur Anwendung kommt dafür meist die Akupunktur der Akupunkturpunkte Magen 36, gelegen an der lateralen Tibiakante, und Perikard 6, gelegen an der Handgelenksinnenseite. Die elektrische Grundaktivität des Magens kann über die Messung der Gastric-Slow-Waves untersucht werden. Diese kontinuierlich vorhandene, elektrische Aktivität wird durch rhythmisch depolarisierende Schrittmacherzellen in der Magenwand hervorgerufen. Die Aufzeichnung erfolgte mittels Elektrogastrogramm (EGG), welches über der Magenregion auf die Haut angebracht wird und ähnlich wie ein EKG funktioniert. Verschiedene Studien weisen auf einen prostimulatorischen Effekt von Akupunktur an spezifischen Punkten auf die Magenmotilität hin. Primäres Ziel der vorliegenden Studie war es zu untersuchen, ob Akupunktur an den Akupunkturpunkten Magen 36 und Perikard 6 im Vergleich zu Sham-Akupunktur (oberflächliches Einstechen) an Nichtakupunkturpunkten zu einem erhöhten Anteil regulärer Gastric-Slow-Waves (Normogastrie) bei gesunden Probanden, somit zu einer Veränderung der Magenaktivität, führt (Veränderung des Anteils der regulären Gastric-Slow-Waves). Eine sekundäre Fragestellung war, ob sich Unterschiede zwischen stimulierter Akupunktur, d.h. Akupunktur mit manueller Nadeldrehung, und nicht-stimulierter Akupunktur, ohne Nadeldrehung, zeigen. Eine weitere Frage war, ob sich andere neurovegetative Parameter (wie Blutdruck, Hautleitfähigkeit, Schlagvolumen) bei den verschiedenen Interventionen unterscheiden. In einer randomisierten, kontrollierten, einfach verblindeten Studie wurden 65 Probanden in einem Verhältnis 1:1:2 in drei Interventionsgruppen randomisiert: 1) 15 Minuten Verum-Akupunktur inklusive Stimulation gefolgt von 15 Minuten Verum-Akupunktur ohne Stimulation, 2) 15 Minuten Verum-Akupunktur ohne Stimulation gefolgt von 15 Minuten Verum- Akupunktur inklusive Stimulation, oder 3) 30 Minuten Sham-Akupunktur. Die Stimulation fand durch manuelles Drehen der Nadeln aller 3 Minuten und gegen die Uhrzeigerrichtung um 360 Grad jeweils fünfmal statt. Während des gesamten Messzeitraumes (15 Minuten Baseline, 30 Minuten Akupunktur, 15 Minuten Post- Akupunktur-Phase) wurden bei allen Probanden Gastric-Slow-Waves sowie verschiedene Herzkreislaufparameter/ neurovegetative Parameter – wie Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz sowie die Hautleitfähigkeit – gemessen. Darüber hinaus wurden durch Fragebögen die Erwartungshaltung und das Empfinden der Nadeln untersucht. Der Anteil der regulären Gastric Slow Waves unterschied sich zwischen Verum-Akupunktur und Sham-Akupunktur nicht statistisch signifikant (31,5 % ± 2,8 % vs. 32,7 % ± 2,0 %; -1,2 %; p = 0,679) (Mittelwert ± Standardabweichung), jedoch zwischen stimulierter Verum-Akupunktur und nicht-stimulierter Verum-Akupunktur. Hier zeigte sich ein geringerer Anteil Normogastrie unter stimulierter Akupunktur (27,7 % ± 2,9 % vs. 36,3 % ± 2,9 %; -8,5 %; p < 0,001). Der Anteil der spektralen Power im tachygastrischen Bereich war sowohl beim Vergleich zwischen Verum- und Sham-Akupunktur (18,2 % ± 1,3 % vs. 21,6 % ± 1,3 %; -3,4 %; p = 0,074) als auch im Vergleich stimulierter zu nicht-stimulierter Akupunktur nicht signifikant unterschiedlich (18,1 % ± 1,9 % vs. 18,6 % ± 1,9 %; -0,1 %; p = 0,831). Für den bradygastrischen Bereich zeigten sich in beiden Gruppenvergleichen auch keine statistisch signifikanten Unterschiede (Verum vs. Sham: 50,4 % ± 2,6 % vs. 45,3 % ± 2,5 %; 4,9 %; p = 0,195; stimuliert vs. nicht-stimuliert: 55,2 % ± 4,3 % vs. 42,5 % ± 4,3 %; 12,7 %; p = 0,051). Unterschiede in den darüber hinaus erhobenen sekundären Messwerten der Gastric-Slow-Waves wie Powerspektrum, dominante Frequenz etc. konnten sowohl im Vergleich stimulierter und nicht-stimulierter Akupunktur (bei allen Parametern zu den Gastric Slow Waves jeweils p < 0,001), als auch im Vergleich Sham-Akupunktur und Verum-Akupunktur gemessen werden (jeweils p < 0,05). Darüber hinaus waren der systolische Blutdruck u.a. Herzkreislaufparameter unter stimulierter Akupunktur statistisch signifikant niedriger als unter nicht-stimulierter Akupunktur (108,4 mmHg± 1,4 mmHg vs. 110,6 mmHg ± 6,9 mmHg; -2,3 mmHg; p = 0,039) und der RMSSD (Root Mean Square of Successive Differences in RR Intervals), der Herzfrequenzvariabilitätsindex, höher (3,8 ms ± 0,1 ms vs. 3,7 ms ± 0,1 ms; 0,2 ms; p < 0,001). In der Postakupunkturphase sowie beim explorativen Vergleich zwischen nicht-stimulierter Akupunktur und Sham- Akupunktur konnten keine signifikanten Unterschiede ermittelt werden. Ein Hinweis für einen Einfluss der Erwartungshaltung oder des spezifischen Nadelempfindens auf den prozentualen Anteil regulärer Gastric Slow Waves zeigten sich nicht. Zusammenfassend zeigte die vorliegende Studie keine Stimulation myoelektrische Magenaktivität bei gesunden Probanden im Vergleich von Akupunktur der Punkte Magen 36 und Perikard 6 und Sham-Akupunktur. Jedoch im Vergleich von stimulierter und nicht-stimulierter Akupunktur zeigten sich eine zunehmende Bradygastrie und Herz-Parasympathikusaktivität und eine Verminderung des systolischen Blutdrucks und der Normogastrie. Besonders stimulierte Akupunktur bedarf weiterer Erforschung.
Background To investigate the effects of stimulated and non-stimulated manual acupuncture at ST36 and PC6 on gastric myoelectrical activity and autonomic function. Methods A total of 65 healthy volunteers were randomly assigned to a 1: 1: 2 ratio to receive either 15 min of verum acupuncture (VA) with stim- ulation followed by 15 min of VA without stimulation (nsVA), or 15 min of nsVA followed by 15 min of VA with stimulation (sVA), or 30 min of sham acupunc- ture (SA). Measures of autonomic function included electrogastrogram, electrocardiogram, impedance car- diography and assessment of blood pressure, breathing frequency, and electrodermal activity. Outcome parameters were compared between VA and SA, and between sVA and nsVA. The percentage of regular gastric slow waves (normogastria) was defined as the primary outcome. Key Results The percentage of normogastria was not significantly different between VA and SA. Differences in secondary outcomes such as power spectrum of gastric slow waves and heart rate variability parameters were pronounced in the comparison of sVA and nsVA. During sVA, the per- centage of normogastria was lower (P = 0.005), the percentage of bradygastria was higher (P = 0.003) and power ratio was higher (P < 0.001), systolic blood pressure was lower (P = 0.039) and RMSSD was higher (P < 0.001) as compared with nsVA. Conclusions & Inferences Our study suggests that manual stimula- tion of acupuncture needles at ST36 and PC6 affects gastric myoelectrical as well as cardiac activities in healthy volunteers. The effect of stimulation in acu- puncture deserves further investigation.