Das postoperative Delir (POD) und das Aufwachdelir sind die häufigsten zerebralen Komplikationen im postoperativen Verlauf, die vor allem bei Erwachsenen im höheren Lebensalter und bei Kindern im Vorschulalter auftreten. Aufgrund der steigenden Optimierung des anästhesiologischen Vorgehens und chirurgischer Techniken nimmt die Wahrnehmung und Sensibilität bezogen auf das postoperative Wohlbefinden bei Patienten/-innen, Angehörigen und dem medizinischen Personal deutlich zu. Weiterhin ist das Auftreten eines POD mit schwerwiegenden weiteren Komplikationen vergesellschaftet, wie einer erhöhten Mortalität und langfristigen kognitiven Einschränkungen, die dazu führen können, dass die älteren Patienten/-innen postoperativ nicht mehr in der Lage sind alleine ihren Haushalt zu versorgen und selbstständig zu leben. Beim Aufwachdelir der Kinder kann die Unruhe der Kinder und ihre mangelnde Wahrnehmung der Umgebung zu schwerwiegenden Komplikationen führen, die das operative Ergebnis gefährden, wenn die Kinder sich notwendige Drainagen, Zugänge oder Verbände ziehen. Die in der vorliegenden Habilitationsschrift zusammengefassten wissenschaftlichen Untersuchungen sind mit dem Ziel entstanden, charakteristische EEG-Signaturen zu identifizieren, die mit dem Auftreten eines POD bei älteren Erwachsenen oder eines AD bei Kindern einhergehen. Durch die Ableitung der zerebralen Hirnaktivität mittels EEG und die bisher schon bekannten pathophysiologischen Zusammenhänge der EEG Aktivität konnten wir auch pathophysiologische Zusammenhänge bzw. Unterschiede zwischen POD bei älteren Erwachsenen und AD bei Kindern beleuchten. Diese Einsichten sind für zukünftige Forschungsansätze und therapeutische Studie hilfreich, die aufgrund der unterschiedlichen pathophysiologischen Bedingungen unterschieden werden müssen. So ist ganz allgemein ein POD bei älteren Patienten/-innen vor allem Folge einer reduzierten zerebralen Aktivität, die durch die verabreichten Anästhetika gerade intraoperativ deutlich supprimiert wird. Andererseits scheinen ältere Patienten/-innen und auch Patienten/-innen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten schon präoperativ eine erhöhte Vulnerabilität und ein erhöhtes Risiko mitzubringen intraoperativ Phasen einer Suppression zu zeigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die orale Prämedikation mit Midazolam eine Stabilisierung der intraoperativen, charakteristischen frontalen -Aktivität induziert, während zur Narkoseeinleitung reduzierte Dosen von Propofol (dem aktuell am häufigsten genutzten Anästhetikum) notwendig werden. Somit scheint eine Prämedikation mit Midazolam vor allem vor größeren Operation hilfreich zu sein, da es die Angst – ein Risikofaktor für POD – reduziert und die intraoperative EEG-Aktivität stabilisiert. Im Gegensatz dazu korreliert ein AD bei Kindern mit einer gesteigerten zerebralen Aktivität, die interindividuell unterschiedlich zu sein scheint und auch schon präoperativ vorhanden ist. Ganz allgemein ist die zerebrale Erregbarkeit im Alter zwischen 2-5 Jahren besonders hoch. Weiterhin schein ein sehr gebräuchliches Anästhetikum (Sevofluran) eine gesteigerte zerebrale Aktivität zu induzieren, während das Anästhetikum Propofol die zerebrale Erregbarkeit weniger steigert. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeiten erbrachten Hinweise darauf, dass prä- und intraoperativ charakteristische Unterschiede in der EEG-Aktivität nachzuweisen sind. In Zukunft könnten mit Hilfe von „Maschine-Learning-Analysen“ der Roh-EEG Daten Delir-Marker entwickelt werden, die Patienten/-innen und Kindern mit einem erhöhten Risiko hinsichtlich einer postoperativ deliranten Entwicklung erkennen. Mit Hilfe dieser „Delir-Marker“ könnte individualisiert das weitere anästhesiologische Vorgehen entsprechend angepasst werden und auch im postoperativen Verlauf könnte frühzeitig das therapeutische Vorgehen daraufhin ausgerichtet werden.