Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit folgenden Fragestellungen: Welche Leitideen liegen dem sozialdemokratischen Verständnis von Ehe und Familie zugrunde? Welche historischen Entwicklungen, Bedeutungsmodifikationen und Veränderungen durchlaufen diese Leitideen im Zeitraum von über hundert Jahren: von 1863, dem Jahr der Parteigründung, bis 2005, dem Beginn der Großen Koalition? Gelingt es den sozialdemokratischen Leitideen von Ehe und Familie, zu gesellschaftlich akzeptierten Leitbildern zu werden? Falls ja: unter welchen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und innerhalb welcher Akteurskonstellationen vollzieht sich der Wandel von der Leitidee zum Leitbild? Das Kerngerüst des sozialdemokratischen Ehe- und Familienverständnisses besteht aus drei Leitideen: der Leitidee der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Ehe und Familie; der Leitidee des erweiterten Familienbegriffs, der unterschiedliche Formen familialen Lebens umfasst und der Leitidee von der Ehe als einer auf einem säkularen Privatvertrag basierenden Form des Zusammenlebens, andere Formen des Zusammenlebens werden als gleichwertig gesehen. Da sich Leitbilder in öffentlichen Diskursen um Werte und Normen herausbilden, werden die in der Arbeit verwendeten Quellen mit der Methodik der soziologischen Diskursanalyse ausgewertet und inhaltlich einem Familienleitbild-Raster zugeordnet. Die Arbeit konzentriert sich auf relevante diskursive Ereignisse im Bereich der Ehe- und Familiengesetzgebung. Diskurskarrieren und die Entwicklung der sozialdemokratischen Leitideen zu Leitbildern werden im wesentlichen im chronologischen Verlauf anhand der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900), der Weimarer Reichsverfassung (1919), des Grundgesetzes (1949), des 1.Gleichberechtigungsgesetzes (1957), der Reform des Unehelichenrechts (1969), der Ehe- und Familienrechtsreform (1977) und des Lebenspartnerschaftsgesetzes (2001/2005) dargestellt. Die Untersuchung zeigt im historischen Verlauf ein konstantes Bemühen der SPD um die Anerkennung und Kodifizierung ihrer Leitideen, meist gegen den Zeitgeist, gegen eine konservativ-bürgerliche Mehrheit, gegen die Lehrmeinung der Kirchen und mit dem Dilemma einer Systemkonkurrenz zur DDR. Die SPD nutzt während ihrer Regierungszeit die Chance, ihre Leitideen von Ehe und Familie im Grundsätzlichen gesetzlich zu verankern. Durch gesellschaftliche Veränderungen, aber eben auch durch den politischen Kampf der SPD für ihre Leitideen von Ehe und Familien sind diese Leitideen heute zu gesellschaftlich anerkannten Leitbildern geworden.
This dissertation addresses the following questions: Which are the leitmotifs underlying the social-democratic understanding of marriage and family? What are the historical developments, modifications and changes which these motifs underwent during more than one-hundred years from 1863, when the SPD was founded, until 2005, the beginning of the so-called Great Coalition ? Did the social-democratic leitmotifs of marriage and family succeed in becoming leitbilders accepted by the community? If yes: under which political and social framework and within which constellation of participating actors does the change from leitmotif to leitbild take place? In its nucleus, the social- democratic understanding is composed of three leitmotifs: i) equal rights for men an women in marriage and family, ii) an extended understanding of the definition of family which encompasses different types of familial life, and iii) marriage as a secular private contract of loving together with other forms of cohabitation being of equal value. Since leitbilders develop in public discourse about values and rules, the sources used in this dissertation are analysed by the method of sociological discourse analysis and, with respect to their content, allocated to a frame of a family leitbild. This work focuses on relevant discursive events in the area of matrimonial and family legislation. Discourse careers and the development of social-democratic leitmotifs to leitbilder are essentially presented chronologically along the lines of the creation of the German Civil Code (1900), the Weimar Constitution (1919), the Basic Law of the German Federal Republic (1949), the First Equal Rights Law (1957), the reform of the Illegitimacy Law (1969), the reform of the Marital and Family Law (1977) and the Life-Partnership Law (2001/2005). The analysis demonstrates constant efforts of the SPD in the historical context to have its leitmotifs accepted and codified, in most cases against the zeitgeist, against a conservative-bourgeois majority , against the dogmatic teaching of the churches and fraught with the dilemma of system competition with the German Democratic Republic (DDR). During its time in power, the SPD takes the chance to embody the principles of its marriage and family leitmotifs in the legislation. Through social changes, but also by the political fight of the SPD for its leitmotifs, these have now become socially accepted leitbilders.