Die meisten Menschen mit einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung sind ihr Leben lang auf therapeutische Maßnahmen angewiesen. Um PatientInnen in Therapieentscheidungen einbinden zu können, ist zumindest ein gewisses Verständnis der Therapien und damit der Krankheitsprozesse bei den PatientInnen notwendig. Die epistemologische Grundlage der vorliegenden Arbeit ist der moderate Konstruktivismus, der davon ausgeht, dass sich Menschen ihr Wissen konstruieren, indem sie wahrnehmungsbedingte Erfahrungen interpretieren, und zwar in der Abhängigkeit von ihrem bereits vorhandenen Vorstellungen (Gerstenmaier & Mandl 1995). Somit ist es wichtig, die Vorstellungen der PatientInnen zu kennen, um ihnen verständnisfördernde Erklärungen zu Krankheitsprozessen und Therapiewirkweisen anbieten zu können. Die Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens (Lakoff & Johnson 1980) wird genutzt um zu verstehen, wie Vorstellungen entstehen und um Ansätze zur Förderung von Verständnis zu entwickeln. Da der rheumatische Formenkreis ca. 200 teilweise sehr heterogene Krankheitsbilder (Loddenkemper et al. 2002) umfasst, stehen zwei dieser Erkrankungen exemplarisch im Vordergrund: die systemische Sklerose (SSc) und die rheumatoide Arthritis (RA). Ergänzend wird das Themengebiet Immunsystem in der Arbeit behandelt, da SSc und RA zu den Autoimmunerkrankungen gezählt werden (Murphy et al. 2008). Eine Metaanalyse bereits vorliegender empirischer Studien zeigt, dass bisher noch keine Untersuchungen von Patientenvorstellungen zu Krankheitsprozessen der SSc bzw. der RA und der Wirkweise der Therapie durchgeführt wurden. Die vorliegende Studie schließt diese Forschungslücke. Als Forschungsrahmen dient dabei das Modell der Didaktischen Rekonstruktion (Kattmann et al. 1997), das zur Untersuchung von fachdidaktischen Fragestellungen entwickelt wurde, die einen fachlich konzeptuellen Bezug haben. In dieser Studie wird es auf die Patientenedukation übertragen. Es gibt drei Untersuchungsaufgaben vor: das Erheben von Patientenvorstellungen, das Erheben von medizinisch- fachwissenschaftlichen Vorstellungen (fachliche Klärung) und deren Vergleich (didaktische Strukturierung). Die Patientenvorstellungen werden mit leitfadenstrukturierte, offenen Einzelinterviews erhoben (SSc N= 8, RA N= 6). Zusätzlich wird zur Vorstellungserhebung ein offener Fragebogen eingesetzt (SSc N=21, RA N=63). Darüber hinaus wird eine Metaanalyse bereits vorliegender empirischer Studien zu Vorstellungen von Lernern/PatientInnen vorgenommen (Studien Immunsystem N=7, Studien SSc N=1, Studien RA N=5). Um die fachlichen Vorstellungen zu analysieren, werden jeweils zwei Lehrwerke pro Themengebiet ausgewählt. Die Auswertung der Daten erfolgt mit der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2003). Ergänzend werden Schemata und Metaphern ergründet (Niedermair 2001). Anhand der Daten aus den offenen Fragebögen können Komplexitätsebenen der Vorstellungen identifiziert werden. Diese Erklärungsebenen unterteilen sich in Symptomebene, Gewebeebene und Zellebene. Die Zellebene wird dabei als komplexeste Ebene betrachtet. Beschreibungen auf Zellebene können auch Inhalte auf Symptom- und Gewebeebene enthalten. Beschreibungen auf Symptomebene hingegen beinhalten in der Erklärung nur diese Ebene. Bei den Vorstellungen zum Immunsystem werden Konzepte, Schemata und Metaphern zu den Teilgebieten Funktion, Regulation und Struktur gefunden. Verfügen die Befragten über das Konzept, dass das Immunsystem aus kleineren Einheiten (Untereinheiten) besteht, ergeben sich daraus weitere Teilgebiete: Untereinheiten Struktur, Untereinheiten Bewegung, Untereinheiten Kommunikation und Untereinheiten Aufgaben. Vier verschiedene Konzepte zur Funktion des Immunsystem werden von den Befragten genannt: Schützen, Versorgen, Regulieren und Stabilisieren. Im Zusammenhang mit der Entzündungsreaktion konnten die Konzepte Immunreaktion, Krankheit und Reibung identifiziert werden. Das Konzept der Untereinheiten wird von einigen Befragten vertreten. Dabei fällt auf, dass diese Untereinheiten als uniform verstanden werden. Verschiedene Zelltypen, die nach fachwissenschaftlichen Vorstellungen existieren, werden von den PatientInnen nicht beschrieben. Das Konzept der Kommunikation zwischen den einzelnen Zellen zur Regulation der Immunfunktionen wird von keinem Befragten dargestellt und kann auch nicht in der Metaanalyse der empirischen Studien gefunden werden. Die Kampfmetaphorik ist im Zusammenhang mit dem Immunsystem prominent vorhanden. Für die beiden Krankheitsbilder werden Konzepte, Schemata und Metaphern in den Bereichen Krankheitsprozesse, Ursachen und Therapiemaß nahmen gefunden. Bei SSc präsentieren die PatientInnen bei den Krankheitsprozessen Konzepte zur krankhaften Veränderung des Bindegewebes, der Störung der Durchblutung und der Angriff auf Körperstrukturen . Als prominente Schemata und Metaphern, die die Prozesse beschreiben, können das Mehr-Werden-, das Fester-Werden- und das Enger-Werden-Schema sowie die Kriegs-/Kampf- Metapher analysiert werden. Bei der RA können bei den Krankheitsprozessen Konzepte zur Abnutzung der Gelenke und zu Angriff en auf Körperstrukturen identifiziert werden. Diese Konzepte werden mit Hilfe des Weniger-Werden- und des Mehr-Werden-Schemas sowie der mechanistischen Metapher und der Kriegs- Kampf-Metapher begriffen. Zusätzlich zeigen die Daten, dass einige PatientInnen, die Autoimmunerkrankungen im Sinne von Infektionserkrankungen begreifen, Therapievorstellungen äußern, die eine notwendige Stärkung des Immunsystems beinhalten. Ergänzend können im Rahmen der Arbeit grundlegende Konzepte auf Zellebene identifiziert werden, die notwendig sind, um die Krankheitsprozesse zu begreifen. Dazu gehören: Es gibt unterschiedliche Typen von Zellen; Zellen können Stoffe aufnehmen; Zellen können Stoffe produzieren; Zellen können Stoffe abgeben und Die Zellen kommunizieren über Botenstoffe miteinander. Der Vergleich der fachwissenschaftlichen Vorstellungen mit den Patientenvorstellungen zeigt, dass oft ähnliche Schemata genutzt werden, um die Krankheitsvorstellungen zu begreifen, allerdings werden diese auf unterschiedliche Konzepte angewandt. Außerdem zeigt der Vergleich, dass es sowohl bei FachwissenschaftlerInnen als auch PatientInnen einen Zusammenhang zwischen den Vorstellungen von Krankheitsprozessen und Therapiewirkungen gibt, wie die Theorie der subjektiven Theorien (Groeben & Scheele 1983) postuliert. Beispielsweise baut auf dem Verständnis der krankhaften Veränderungen aufgrund eines Mehr-Werdens das Verständnis der Wirkung vieler der beschriebenen medikamentösen Therapien auf, die als Weniger-Werden begriffen wird. Das Gleiche gilt für die anderen Schemata. Wird der Krankheitsprozess als Enger- Werden verstanden, wird als wirksame Therapiewirkung ein Weiter-Werden angenommen. Ebenso gilt dies für die Metaphern. Wird der Krankheitsprozess der RA als ein Angriff des Immunsystems auf die Gelenke verstanden, so beschreiben die Befragten die Therapiewirkungen als Schwächung des Angreifers (Immunsystem) oder als Schutz des Angegriffenen (Knorpel wird durch Chondroprotektiva geschützt). Die Konzepte, Schemata und Metaphern für die in der Studie analysierten Themengebiete werden zusammengestellt und geordnet, um eine Sammlung zu erhalten. Auf Basis der Ergebnisse werden Erklärungshilfen für die Arzt-Patienten-Kommunikation entwickelt. Diese beziehen Modelle, Abbildungen und den Einsatz von Metaphern und Schemata mit ein.
Most patients with inflammatory rheumatic diseases have to depend on a treatment regime for the rest of their lives. For patients, an understanding of disease processes and therapy is necessary to actively participate in decision making about their therapy regime. This study is based on a moderate constructivist approach (Gerstenmaier & Mandl 1995), which postulates that people construct their knowledge by interpreting their experiential perceptions based on their already existing conceptions. Therefore, it is important to know about patients' conceptions in order to offer them that kind of explanations about their disease processes and mechanisms of therapy that will foster their understanding. The theory of experiential realism (Lakoff & Johnson 1980) is used to understand how conceptions are created and to develop proposals on how to foster understanding. Overall, there exist more than 200 different kinds of rheumatic diseases (Loddenkemper et al. 2002). This study focuses on two of them: Systemic Sclerosis (SSc) and Rheumatoid Arthritis (RA). In addition, the study covers the topic immune system, because SSc and RA are considered to be autoimmune diseases (Murphy et al. 2009). In the state of present research a meta-analysis of available studies revealed that no study on patients' conceptions of disease processes of SSc or RA and conceptions of the mechanisms of functioning of therapies has been conducted yet. This study addresses and closes this research gap. The Model of Educational Reconstruction (Kattmann et al. 1997) is used as research framework. It has been developed for the purpose of curriculum development and predetermines three interrelated research tasks: empirical investigations of patients' conceptions, empirical investigations of science conceptions, and the comparison of the results. Patients' conceptions are elicit in interviews with a semi-structured interview guide (SSc N=8, RA N=6). In addition a survey with a questionnaire composed of open-ended questions is used for elicitation of conceptions (SSc N=21, RA N=63). Furthermore, a meta-analysis of conceptions of students/patients in published empirical studies is conducted (studies immune system N=7, studies SSc N=1, studies RA N=5). The science conceptions are analyzed using science textbooks. For each sub-topic two textbooks are chosen. The data are analyzed by qualitative content analysis (Mayring 2003). Complementing the analysis of conceptions, schemata and metaphors are identified (Niedermair 2001). On the basis of the data from the questionnaire three levels of complexity regarding the conceptions can be identified. These so-called levels of explanation are symptom level , tissue level, and cell level, with cell level being the most complex one. Descriptions on cell level can also contain conceptions on symptom and tissue level. Descriptions on symptom level, on the other hand, only contain conceptions on that level. Conceptions, schemata, and metaphors regarding the immune system can be found in the topic areas of function, regulation, and structure. If a person has the conception that the immune system is subdivided into smaller parts (subunits) then additional topic areas are identified: subunits structure, subunits movement, subunits communication, and subunits tasks. Four different conceptions of the function of the immune system are presented by the interviewees: protection, supply, regulation, and stabilization. The conception of subunits can be discovered in some interviews. The subunits are regarded as uniformly. Different types of cells that exist according to scientific conceptions are not described by the patients. The conception of communication between cells in order to regulate immune functions is not presented by any of the interviewees and cannot be identified in the meta-analysis of published research studies. The fight metaphor is prominently used in context with the immune system. Inflammation is described with the conceptions reaction of the immune system, illness, and friction . For both diseases, conceptions, schemata, and metaphors can be found in the following topic areas: disease processes, cause of disease, and therapy regime. For SSc disease processes, patients' descriptions include conceptions of disease related changes of the connective tissue, blood circulation disorder, and attack on body structures . Prominent schemata and metaphors that describe these processes are the becoming more schema, becoming firmer schema, becoming narrower schema, and the fight/war metaphor. For RA, patients used the conceptions of abrasion of joints and attack on body structures to describe the disease processes. Prominent schemata and metaphors linked to these disease processes are the becoming more schema , the becoming less schema , the mechanistic metaphor, and the fight/war metaphor. In addition, the data reveals that some patients have similar processes in mind when they think about infectious diseases and autoimmune disease, which becomes transparent when they discuss their conceptions of therapies and include the strengthening of the immune system. Additionally, on cell level basic conceptions are identified that are necessary to understand the disease processes, including: there are different types of cells, cells can ingest substances, cells can produce substances, cells can release substances, and cells communicate through substances with each other . The comparison of patients' conceptions and scientific conceptions shows that patients and scientists use similar schemata to understand disease conceptions. However, they apply them to different conceptions. A connection between conceptions of disease processes and conceptions of the mechanisms of therapies is found in the data. This connection is present in both scientists' and patients' descriptions and is postulated by the theory of subjective theories (Groeben & Scheele 1983). For example, the understanding of disease related changes as becoming more is the foundation on which the mechanisms of many therapies are regarded as becoming less. The same connection is found for the other schemata in this study. When the disease process is comprehended as becoming narrower , the mechanism of the therapy is described as becoming wider. With metaphors a similar relationship can be found. When the disease process of RA is perceived as an attack of the immune system on the joints, the interviewees present the conceptions of the treatment as either weakening of the attacker (immune system) or protection of the one being attacked (cartilage is protected by chondroprotective substances). The conceptions, schemata, and metaphors of the investigated topics analyzed in this study are collected and structured to create a compilation. Based on these findings explanations aids for the patient-physician-communication are developed. They include models, images, and the use of metaphors and schemata.