Infolge des Deichbruchs bei Fischbeck am 10. Juni 2013 wurden weite Teile des Elbe-Havel-Landes in Sachsen-Anhalt überflutet. Knapp drei Jahre nach dem Hochwasser war die Bewältigung der Katastrophe für viele Betroffene noch nicht abgeschlossen. Dieses Working Paper geht der Frage nach, wie die Menschen der betroffenen Region die Erfahrung des Hochwassers rückblickend in ihren Erzählungen rahmen, zu welchen Erklärungen sie kommen und welchen Sinn sie der Katastrophe zuschreiben. Dabei wird Sinnstiftung als wichtiger Bestandteil von Bewältigung (Coping) und damit Resilienz betrachtet. Da Coping als komplexer sozialer Prozess aufzufassen ist, wird Sinnstiftung auch in Zusammenhang mit anderen Bewältigungsformen untersucht, um zu einem kontextspezifischen Verständnis von Coping zu gelangen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erzählungen lokaler Akteur*innen als Teil der Erinnerung an die Katastrophe, die als Akt der individuellen und kollektiven Sinnstiftung betrachtet werden. Dabei lassen sich einerseits Narrationen finden, die auf der Erfahrung von Solidarität und Hilfe beruhen und dadurch die individuelle Bewältigung von Leid fördern sowie auf kollektiver lokaler Ebene einend und identitätsstiftend wirken. Andere Interpretationen hingegen, die sich auf akute und langfristige staatliche Bewältigungsmaßnahmen beziehen, bergen Konfliktpotential auf verschiedenen Ebenen in sich. Hinsichtlich der Frage nach Schuld, Verantwortlichkeit und Aufarbeitung der Ereignisse zeigt sich somit die politische Dimension von Sinnstiftung. Im Zuge des Wiederaufbaus und der Erholung sind die unterschiedlichen Narrationen als Ausdruck davon zu verstehen sich in einer veränderten Normalität nach der Katastrophe sinnhaft zurechtzufinden und mit der Erfahrung von Leid und Verlust umzugehen. Lokale Interpretationen über das Hochwasser sind zudem tief im geschichtlichen und soziokulturellen Kontext der Region verwurzelt und gründen teils auf Erfahrungen zu DDR-Zeiten.
The crevasse near Fischbeck on 10th of June 2013 led to an extensive inundation of the Elbe-Havel-Land in Saxony-Anhalt. Almost three years later, affected residents continued to cope with the consequences of the flood. This working paper asks how people retrospectively frame the experience of the flood in their narrations and how they explain and make sense out of the disaster. Sense-making is an important aspect of coping and thereby resilience. As coping is considered as a complex social process, sense-making is examined in relation to other forms of coping in order to attain a context-sensitive understanding of coping. The focus lies on narrations of local actors as part of remembering the disaster, which are considered as mode of individual as well as collective sense-making. On the one hand, some narrations – based on the experience of solidarity and help – promote individual coping processes in the face of suffering and foster local collective identity. In contrast, other interpretations of the disaster that relate to immediate and long-term official disas-ter management measures carry the potential of social conflict on different levels. Regarding the question of blame, accountability and official remembrance of events the political dimension of sense-making comes to the fore. In the course of reconstruction and recovery the different narrations are an expression of meaningfully negotiating one’s way in a changed normality after the disaster and coping with the experience of loss and suffering. Local interpretations of the flood are also deeply rooted in the historical and sociocultural context of the region and are partly based on experiences during the period of the GDR.