Einleitung: Die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN) ist eine der häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Chemotherapie bei Tumorpatienten. Bisher sind die jeweiligen Pathomechanismen unzureichend geklärt. Folglich existieren keine adäquaten Therapieansätze. Betroffene Patienten leiden unter einer eingeschränkten Lebensqualität und können teilweise aufgrund dieser dosislimitierenden Nebenwirkung nicht optimal behandelt werden. Es sind verschiedene Substanzen bekannt, die das Auftreten einer CIPN bewirken können. Interessanterweise haben Studien gezeigt, dass der neurotoxische Effekt der Chemotherapeutika Salynomycin und Paclitaxel mit dem Auftreten einer Calciumdyshomöostase zusammenhängt. Bemerkenswert ist, dass auch die Neurotoxizität Suramins mit einer gestörten Calciumhomöostase in Verbindung gebracht wurde. Suramin ist ein seit 1916 bekanntes Antiprotozoikum, das in tierexperimentellen und klinischen Studien auch im Rahmen verschiedener Tumorentitäten eingesetzt wurde. Insgesamt wurden zahlreiche Wirkmechanismen dieser Substanz beschrieben. Außerdem verursacht Suramin zahlreiche Nebenwirkungen. Häufig stellt eine zumeist periphere, axonale und sensomotorische Polyneuropathie einen dosislimitierenden Faktor dar. Gegenstand dieser Arbeit war es, den zugrundeliegenden Pathomechanismus der Neurotoxizität Suramins zu untersuchen, um das Verständnis der Pathophysiologie der CIPN allgemein zu erweitern und spezifische therapeutische Ansatzmöglichkeiten zu beleuchten. Methodik: Für die Untersuchungen wurden primäre Spinalganglienzellkulturen aus Ratten-Neonaten (P 0-3) gewonnen. Zur Messung des intrazellulären Calciumgehalts erfolgten Calcium-Imaging Experimente unter Verwendung des Fluoreszenzfarbstoffs Fura-2. Des Weiteren untersuchten wir, unter Verwendung spezifischer Inhibitoren, die Bedeutung verschiedener spannungsabhängiger Calcium (VGCC)- sowie Transient- Rezeptor-Potential-(TRP) Kanäle im Rahmen der Suramin-vermittelten Neurotoxizität. Die Evaluation der Zellvitalität erfolgte mittels MTT-Assay. Ergebnisse: Wir konnten zeigen, dass Suramin zu einem Einstrom von extrazellulärem Calcium in das Cytosol von Spinalganglienzellen führt. Der L-Typ VGCC-Inhibitor Nimodipin konnte diesen Calciumeinstrom signifikant vermindern und die zelluläre Vitalität signifikant steigern. Allerdings wurde die toxische und Calcium-induzierende Wirkung Suramins nicht vollständig durch Nimodipin antagonisiert. Die Inhibition des TRPV4 Kanals zeigte diesbezüglich uneindeutige Ergebnisse. Darüber hinaus traten experimentelle Interaktionen Suramins mit Fluoreszenz und Lumineszenz-Assays auf. Dies führten wir am ehesten auf eine Interaktion mit den jeweiligen Luminophoren zurück. Außerdem zeigte sich unter Suramin eine verminderte zelluläre Adhäsion. Unter Berücksichtigung der Literatur machten wir eine Interaktion mit extrazellulären Matrixproteinen hierfür verantwortlich. Schlussfolgerung: Mit der vorliegenden Arbeit konnten wir die Bedeutung der Calciumhomöostase im Rahmen der pathophysiologischen Vorgänge der CIPN allgemein verdeutlichen. Im Speziellen ließen sich membranständige Ionenkanäle als Vermittler des Suramin- induzierten Calciumeinstroms und der dadurch bedingten Neurotoxizität identifizieren. Jedoch wird insgesamt deutlich, dass Suramin unspezifische Bindungseigenschaften besitzt und so pleiotrope Effekte auf verschiedenste Zielstrukturen ausübt. Dies bedingt eine äußerst komplexe Handhabung dieser Substanz sowohl im klinischen als auch im experimentellen Einsatz. Die dargestellten Interaktionen sollten insbesondere für die weitere experimentelle Verwendung Suramins genauer untersucht werden.
Introduction: Chemotherapy induced polyneuropathy (CIPN) is one of the most frequent side effects of chemotherapy treated tumor patients. Pathomechanisms and consequently therapeutic strategies remain to be elucidated. Affected patients suffer from a reduced quality of life and might not be treated with the optimal treatment regimen because of this dose limiting side effect. Several chemotherapeutic compounds are known to induce CIPN. Intriguingly studies have shown that the neurotoxic effect of Salinomycin and Paclitaxel is linked to a disturbance of cellular calcium homeostasis. In this context, it is of interest that Suramin induced neurotoxicity was proposed to be linked to calcium dyshomeostasis as well. The antiprotozoic agent Suramin is known since 1916. Suramin was also shown to have diverse antitumor activities. It also causes various side effects. One of the most frequent dose limiting side effects being a predominantly axonal and peripheral sensorimotor neuropathy. We investigated the pathomechanism of Suramin neurotoxicity in order to improve the understanding of CIPN pathophysiology in general and to elucidate specific therapeutic targets. Methods: We used primary dorsal-root-ganglion cell (DRGC) cultures from rat neonates (P 0-3). Intracellular calcium levels were measured via Calcium-Imaging using the fluorescent dye Fura-2. Moreover, we investigated the impact of voltage gated calcium channels (VGCC) and Transient-Receptor-Potential-(TRP) channels on Suramin neurotoxicity using the MTT cell-viability assay. Results: We were able to show that Suramin induces an influx of extracellular calcium into the cytosol of DRGCs. The L-type VGCC inhibitor Nimodipine reduced Suramin induced calcium influx significantly and improved viability of Suramin treated cells. Nevertheless, Nimodipine could not reverse Suramin induced impairment of cell viability and calcium influx completely. The inhibition of the TRPV4 channel showed ambiguous results. We also observed interactions of Suramin with fluorescence- and luminescence assays and hypothesized a direct interaction of Suramin with luminophores. Moreover, Suramin impaired cellular adhesion. With reference to the published literature we linked this phenomenon to interactions of Suramin with extracellular matrix proteins such as Laminin. Conclusion: Altogether our experiments emphasize the relevance of a calciumdyshomeostasis in the pathophysiology of CIPN in general. Furthermore, we could identify ion channels in the plasma membrane as potential mediators of Suramin induced calcium influx and subsequent neurotoxicity. Nevertheless, it becomes clear that Suramin possesses unspecific binding properties which result in pleiotropic effects of this substance. This causes a very complex handling of Suramin in both experimental and clinical uses. For further experimental use of Suramin the described interactions should be investigated in more detail.