Given Huang Binhong’s (1865–1955) position in art history as one of the most important Chinese brush-and-ink artists of the past century, it is noteworthy that in spite of a striking overabundance of scholarly publications on Huang’s work, his oeuvre reveals an as of yet insufficiently examined area: though receiving more attention in recent years, Huang’s calligraphy production still presents a significant research desideratum. One reason for the peripheral focus in this regard is surely its wide reception as being of generally lesser artistic value than Huang’s painting, and its labeling thus as merely “painters calligraphy” (huajia zi). The present thesis seeks to counter this lack in scholarship. Here, special attention is paid to the aesthetic concept of neimei, “interior beauty”, which finds particular pronunciation in Huang Binhong’s brush-and-ink art. As a concept primarily stemming from this artist’s theoretical and practical dealings with calligraphy, neimei constitutes the core of Huang’s aesthetic terminology; one that is, moreover, reiterated in discourse on his art⎯inasmuch as it appears to comply with certain themes running through the narratives of Chinese art history up to the present day. It is argued that an investigation of this ubiquitous (yet all the more elusive) concept can effectively expose neimei as a highly charged discursive term manifesting a set of aesthetic ideas and ideals, and with this, certain body-related inhibitions that underlie art criticism and theory on the traditional brush-and-ink arts in China. In assessing various meanings and implications of neimei in an art historiographical context, a grave discrepancy that prevails among symptomatically dichotomous, essentialist conceptions of “interior mind” and “outer form”, respectively, can be revealed. Before this backdrop, one of the aims of the study is to show in what way a decidedly somaesthetic approach allows us to reconsider presumedly familiar issues: specifically, the art of Huang Binhong, whom we foremost know as a landscape painter, especially through his much-praised, idiosyncratic late-period style, widely understood as a testimony to his accomplishments within the Chinese tradition of literati ink painting; and, more broadly, the complex phenomenon of calligraphy (shufa) itself, particular to the cultures and art histories of China, and whose inadequate translation as “beautiful writing” (derived from the Greek terms kallós κάλλος [beauty] and gráphein γράφειν [to write]) carries notoriously misleading implications. The title of the study, with its designation of “inner workings”, addresses the inner workings of calligraphy as a classical genre of Chinese literati art theory and practice in its entirety: a formal and material system of brush and ink methods, aesthetic frameworks, and established traditions of style. Moreover, the study encompasses the larger scope of Chinese brush-and-ink discourse, and its inner workings as a recursive space of art historiographical construction; an ideologically framed, and time and again highly contested domain that possesses essentially self-sustaining qualities of sociopolitical nature.
Angesichts des Status von Huang Binhong (1865–1955) innerhalb der Kunstgeschichte als einer der wichtigsten Vertreter der chinesischen Tuschekunst des vergangenen Jahrhunderts ist es eine bemerkenswerte Tatsache, dass sein Schaffenswerk trotz eines geradezu überfülligen Maßes an vorhandenen Forschungspublikationen ein bislang nur unzureichend systematisch untersuchtes Gebiet aufweist: Zwar hat dieses in vergangenen Jahren bereits mehr Berücksichtigung in der Forschung erhalten, dennoch stellt das schriftkünstlerische Werk Huang Binhongs nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar. Die periphäre Aufmerksamkeit diesbezüglich ist sicherlich der Tatsache mitverschuldet, dass Huang Binhongs Kalligrafie im Vergleich zu seiner Malerei im Allgemeinen als qualitativ geringfügiger rezipiert und entsprechend als sogenannte „Malerkalligrafie“ (huajia zi) herabgewürdigt worden ist. Die vorliegende Arbeit sucht diesem Defizit entgegenzuwirken. Hierbei wird das ästhetische Konzept neimei, „innerliche Schönheit“, in den Fokus genommen, welches im Kontext von Huang Binhongs Pinsel-und-Tusche-Kunst partikuläre Formulierung findet. Primär der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung Huang Binhongs mit der Kalligrafie entstammend steht neimei im Kern der ästhetischen Terminologie dieses Künstlers. Darüber hinaus stellt neimei einen Begriff dar, der auch im Kunstdiskurs über Huang Binhong bis hin zur Gegenwart Wiederholung findet, so dieser mit bestimmten Narrativen der chinesischen Kunstgeschichte übereinzustimmen scheint. In der Arbeit wird argumentiert, dass eine Untersuchung dieses omnipräsenten (dafür umso diffuseren) Begriffs es vermag, neimei als eine bedeutungsvoll aufgeladene Idee effektiv zu exponieren, in welcher sich ein Rahmenwerk ästhetischer Ideen und Ideale manifestiert, dem bestimmte, körperbezogene Voreingenommenheiten in der Kunstkritik und -theorie über die traditionellen Pinsel-und-Tusche-Künste Chinas zugrunde liegen. Durch die Eruierung verschiedener Bedeutungen und Implikationen von neimei im kunsthistoriografischen Kontext kann eine gravierende Diskrepanz deutlich gemacht werden, welche symptomatisch auf einem essenzialisierenden Binarismus „inneren Geistes“ und „äußerer Form“ beruht. Vor diesem Hintergrund besteht ein Anliegen der Arbeit darin aufzuzeigen, auf welche Weise eine dezidiert somästhetische Betrachtung es uns ermöglicht, vermeintlich vertraute Themenkomplexe zu überdenken und neu zu betrachten: im Speziellen, das Schaffen Huang Binhongs, welches uns vor allem durch Huangs Landschaftsmalerei bekannt ist, hier insbesondere in Form der hoch gepriesenen Spätwerke, die als Zeugnis der Errungenschaften des Künstlers auf dem Gebiet der traditionellen chinesischen Literatenmalerei verstanden werden; und im erweiterten Sinne, das komplexe kulturspezifische Phänomen der chinesischen Kalligrafie (shufa) selbst, welches mit der defizitären Übersetzung als „Schönschrift“ notorisch irreführende Implikationen trägt. Die Bezeichnung des „Innenlebens“ bzw. „inneren Getriebes“ im Titel der Arbeit adressiert das Gebiet der Kalligrafie in seiner Gesamtheit als klassisches Genre chinesischer Literatenkunst in Theorie und Praxis: ein formales und materielles System von Pinsel- und Tuschemethoden, etablierten ästhetischen Gerüsten und stilistischen Traditionen. Überdies beabsichtigt die Arbeit den weiter gefassten Geltungsbereich eines inneren Getriebes von Pinsel-und-Tusche- Diskurs als rekursives Feld der kunsthistoriografischen Konstruktion abzustecken; eine ideologisch geprägte, zuweilen stark umfochtene Domäne, welche essenziell selbsterhaltende Qualitäten soziopolitischer Natur besitzt.