Hintergrund: Fertilitätsbeeinträchtigung und deren spätere Erholung nach Chemo- und Strahlentherapie wurde bei männlichen und weiblichen Überlebenden einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter berichtet. Jedoch ist wenig bekannt über den zeitlichen Verlauf. Deshalb war es Ziel der vorliegenden Studie, die Entwicklung einer Fertilitätsbeeinträchtigung und möglichen Erholung bei Überlebenden nach Hirntumorerkrankung und allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) im Kindes- und Jugendalter zu beschreiben. Methoden: In der Longitudinalpilotstudie wurden Überlebende einer Hirntumorerkrankung (n=144), die zwischen 2000 und 2005 in zwei deutschen kinderonkologischen Zentren behandelt wurden, eingeschlossen. Weitere 361 ehemalige kinderonkologische Patienten nach HSZT wurden in einer europäischen multizentrischen Studie untersucht. In beiden Studien wurden Fertilitätsparameter aus Krankenhausakten über einen Zeitraum von bis zu 12 Jahren erhoben. Ergebnisse: In der Pilotstudie hatten Teilnehmer, die zum Zeitpunkt der Hormonanalyse ≥13 Jahre alt waren und mit einer Dosis ≥30 Gy am Schädel (n=23), 83% (n=19) davon kraniospinal, bestrahlt wurden, höhere mediane Konzentrationen des FSH im Vergleich zu Patienten ohne Chemo- und Strahlentherapie (n=29): 8,3 IU/l (IQR (6,5-11,2)) vs. 4,1 IU/l (IQR (3,2-5,1)) 2 Jahre nach Behandlung; 8,9 IU/l (IQR (8,5-10,8)) vs. 4,2 IU/l (IQR (2,4-6,7)) nach 8 Jahren und 7,1 IU/l (IQR (6,7-7,7)) vs. 3,5 IU/l (IQR (2,8-4,2) nach 10 Jahren. Insgesamt berichteten 11/65 Frauen über eine Amenorrhö im Median 6,0 Jahre (1-10) nach Diagnose. Es wurde beobachtet, dass 5 dieser Frauen später einen regulären Menstruationszyklus ohne Hormonersatztherapie entwickelten. Die Möglichkeit einer Erholung nach Fertilitätsbeeinträchtigung erhöhte sich für den Patienten tendenziell mit zunehmenden Zeitraum nach Diagnose (p=0,074). In der multizentrischen Studie wurde eine Entwicklung der Fertilitätsbeeinträchtigung bei männlichen Teilnehmern (123/217, 56%) nach einem medianen Zeitraum von 2,6 Jahren (0,1-11,4) nach HSZT beobachtet, bei weiblichen Teilnehmern (82/144, 57%) nach 2,3 Jahren (0,1-12,0). Eine Erholung von einer Fertilitätsbeeinträchtigung wurde bei 17 Teilnehmern nach einem medianen Zeitraum von 4,1 Jahren (1-10,6) bei weiblichen Teilnehmern (10/144, 7%) und 2,0 Jahre (1-6,3) bei männlichen Teilnehmern (7/217, 3%) nach ersten Zeichen einer Fertilitätsbeeinträchtigung beobachtet. Schlussfolgerung: Bei ehemaligen Hirntumorpatienten wurden Zeichen einer Fertilitätsbeeinträchtigung wie Amenorrhö und erhöhte FSH-Werte zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen einem und zwölf Jahre nach Chemo- und Strahlentherapie festgestellt. Abnehmende FSH-Werte wurden ein bis sieben Jahre nach Hormonwerterhöhung beobachtet und als Atrophie der Hypophyse oder Fertilitätserholung interpretiert. HSZT Überlebende entwickelten kurz nach Therapie eine Fertilitätsbeeinträchtigung und zeigten ein geringes Potential für eine Erholung. In Anbetracht dieser Dynamik und Erholung einer Fertilitätsbeeinträchtigung bei Überlebenden nach HSZT und Hirntumorerkrankung sollten diese Patienten umfassend zu fertilitätserhaltenden Maßnahmen beraten werden.
Background: Fertility impairment and recovery after chemo and radiotherapy have been reported in male and female childhood cancer survivors, but little is known about the dynamics. This study aimed to describe the development of fertility impairment and possible recovery in childhood brain tumour and allogeneic haematopoietic stem cell transplantation (HSCT) survivors. Methods: The pilot longitudinal study included 144 brain tumour survivors, who were treated in two German paediatric oncology centres between 2000 and 2005. A further European multicentre longitudinal study was conducted with 361 HSCT survivors. Both studies used fertility and treatment data, retrieved from medical records up to 12 years after diagnosis/HSCT. Results: In the pilot study, participants aged ≥13 at the time of hormone analysis, who had received cranial irradiation ≥30 Gray (n=23), including 83% (n=19) with craniospinal irradiation, had higher median FSH concentrations, compared to 29 patients without chemo and radiotherapy: 8.3 IU/l (IQR 6.5-11.2) vs. 4.1 IU/l (IQR 3.2-5.1) 2 years after initial treatment; 8.9 IU/l (IQR 8.5-10.8) vs. 4.2 IU/l (IQR 2.4-6.7) after 8 years and 7.1 IU/l (IQR 6.7-7.7) vs. 3.5 IU/l (IQR 2.8-4.2) after 10 years. Altogether, 11/65 women reported the onset of amenorrhea after a median time of 6.0 years (range 1-10) after diagnosis. Five of these women later developed a regular menstrual cycle without hormone replacement therapy. Patients’ chance of recovering fertility increased with time after diagnosis (p=0.074). In the multicentre study, the development of fertility impairment was observed in males (123/217, 56%) after a median time of 2.6 years (range 0.1-11.4) and in females (82/144, 57%) after 2.3 years (range 0.1-12.0) after HSCT. Recovery of fertility was observed in 17 participants after a median time of 4.1 years (range 1-10.6) in females (10/144, 7%) and 2.0 years (range 1-6.3) in males (7/217, 3%) after first signs of fertility impairment. Conclusion: In brain tumour survivors, signs of fertility impairment such as amenorrhea and elevated FSH levels were observed at variable time points between one and twelve years after chemo and radiotherapy. Decreasing FSH levels were observed one to seven years after elevation, and were interpreted either as an atrophy of the pituitary gland or as recovery from fertility impairment. HSCT survivors developed infertility shortly after treatment with a small potential to recover fertility. In light of the dynamics of fertility impairment and recovery, HSCT and brain tumour survivors should be counselled comprehensively regarding fertility conservation procedures.