Schwerhörigkeit ist ein globales Gesundheitsproblem mit zahlreichen negativen Folgen für die betroffenen Patienten und die Gesellschaft im Allgemeinen. Als Hauptrisikofaktor für Demenz spielt die Schwerhörigkeit eine zentrale Rolle und hat demnach Auswirkungen, die weit über das individuelle Wohlbefinden hinausgehen und das sozioökonomische Gefüge der Gesellschaft beeinflussen. Die Patienten leiden unter sozialer Isolation und eingeschränkter Lebensqualität. Der begleitende Tinnitus wird mit Stress, Angst und Depression in Verbindung gebracht. Die übergreifende Motivation für die vorliegende Habilitationsschrift war es, das derzeitige Verständnis der Schwerhörigkeit zu erweitern, um die Behandlungsergebnisse zu optimieren. In den letzten Jahren wurde die Existenz von Immunzellen in der Cochlea nachgewiesen. Es ist jedoch nach wie vor schwierig, die verschiedene Immunzelltypen der Cochlea anhand molekularer Marker zu unterscheiden. Obwohl die Maus das wichtigste Tiermodell in der Hörforschung ist, scheint die Immunfärbung bestimmter Proteine in der Cochlea von Mäusen aufgrund der „Mouse-on-mouse“-Hintergrundfärbung besonders problematisch zu sein. Der Mangel an zugelassenen medikamentösen Behandlungen für die Schwerhörigkeit stellt nach wie vor eine weitere Herausforderung dar. Bei der chirurgischen Therapie des Cholesteatoms sind die Behandlungsergebnisse aufgrund der hohen Rezidivrate oft suboptimal, sodass häufig mehrere Ohroperationen erforderlich sind und eine permanente Schwerhörigkeit resultiert. Hier könnte die Entwicklung einer medikamentösen Therapie von großer Bedeutung sein. Darüber hinaus bleiben einige klinische Aspekte der Behandlung der Schallleitungsschwerhörigkeit bei Mittelohrpathologien umstritten. Die Computertomografie erhält bei Verdacht auf Otosklerose zunehmend Einzug in die klinische Routine, bleibt aber aufgrund der damit verbundenen Kosten und Strahlenbelastung kontrovers. Bei hochgradiger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit bleibt die Cochlea-Implantation (CI) die Behandlung der Wahl. Die Hörergebnisse sind aber nach wie vor unterschiedlich, insbesondere bei langer Ertaubungsdauer und angeborener Ertaubung. Diese Einschränkung ist besonders bei Patienten mit einseitiger Ertaubung (SSD) und asymmetrischem Hörverlust (AHL) von Bedeutung. Das Fehlen zuverlässiger elektrophysiologischer oder radiologischer Prädiktoren für den Erfolg der CI bei SSD- und AHL-Patienten könnte auf das unvollständige Verständnis der assoziierten zentralen Veränderungen zurückzuführen sein. Außerdem kann die konventionelle Outcome-Messung, die sich ausschließlich auf die Hörfähigkeit stützt, den Leidensdruck der Patienten nicht adäquat erfassen. Angesichts der erheblichen Auswirkungen der Schwerhörigkeit lag das Ziel der vorliegenden Studien darin, ausgewählte experimentelle und klinische Strategien bei der Diagnostik und Therapie der Schwerhörigkeit zu evaluieren. In den vorgestellten Studien wurden verschiedene Aspekte der Pathophysiologie, der diagnostischen Ansätze und der potenziellen therapeutischen Interventionen für verschiedene Hörstörungen untersucht. Die erste Studie zielte darauf ab, ein Immunfluoreszenzprotokoll mit einer doppelten Blockierungstechnik zu entwickeln und optimieren, um das Problem des unerwünschten “Mouse-on-mouse”-Hintergrundsignals zu lösen. Hierbei wurde das Muster der “Mouse-on-mouse”-Hintergrundfluoreszenz in der Cochlea zum ersten Mal beschrieben. Dieses doppelte Blockierungsprotokoll ermöglichte die präzise Visualisierung spezifischer Proteinexpression in der Cochlea der Maus durch die Immunfluoreszenzfärbung. Die zweite Studie konzentrierte sich auf die Charakterisierung der Expression von dem Mikroglia-Marker, TMEM119, in der Cochlea. Hierbei zeigte sich, dass TMEM119-Expression nicht in den Iba1-positiven Makrophagen exprimiert wurde. Stattdessen wurde TMEM119 in bestimmten Zelltypen in der Stria vascularis und dem Spirallimbus nachgewiesen. Die Ergebnisse sprechen nicht für die Verwendung von TMEM119 als Marker für Mikroglia in der Cochlea. Die Einführung von Lärmtrauma wirkte sich nicht auf das qualitative Expressionsmuster von TMEM119 in der Cochlea aus. Weitere Studien sind erforderlich, um die Funktion von TMEM119 in der Cochlea besser zu charakterisieren und seine potenzielle Rolle in der Pathophysiologie der Cochlea zu klären. In der dritten Studie wurde eine immunhistochemische Analyse zur Charakterisierung der M1/M2-Makrophagenpolarisation in menschlichen Cholesteatompräparaten eingesetzt. Hierbei korrelierte eine höhere Anzahl von M1-Makrophagen (und damit ein höheres M1/M2-Verhältnis) signifikant mit einer fortgeschrittenen Ossikelarrosion. Es ist zu erwarten, dass die Ergebnisse zur Entwicklung medikamentöser Therapie beitragen, da die pharmakologische Beeinflussung der Makrophagenpolarisation sich bei anderen entzündlichen Erkrankungen therapeutisch sinnvoll erwies. Die vierte Studie untersuchte den Nutzen der routinemäßigen CT-Bildgebung bei der Otosklerose. In der untersuchten Kohorte korrelierte das Vorhandensein von otosklerotischen Herden bei der CT-Diagnostik nicht mit dem präoperativen Audiogramm oder dem Operationsergebnis. In der untersuchten Kohorte lieferten die CT-Bilder keine neuen Erkenntnisse, die die Entscheidung über die Durchführung der Operation oder die Wahl der zu operierenden Seite beeinflusst hätten. Daher sprechen die vorliegenden Ergebnisse nicht für den routinemäßigen Einsatz der präoperativen CT-Diagnostik bei klinischem Verdacht auf Otosklerose. Die fünfte Studie untersuchte die Lateralisation des Weber-Stimmgabeltests bei Patienten mit langjähriger SSD oder AHL. In dieser Patientenkohorte korrelierte eine im Kindesalter einsetzende einseitige Taubheit signifikant mit der fehlenden Lateralisation des Weber-Stimmgabeltests und dem Fehlen von ipsilateralem Tinnitus. Die Ergebnisse deuten auf einen zentralen Anpassungsprozess durch chronische einseitige auditorische Deprivation hin, der vor der kritischen Periode der auditorischen Reifung beginnt. Diese Hypothese könnte teilweise das suboptimale CI-Ergebnis bei langjähriger SSD erklären. Die Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass der Weber-Test als einfaches, schnelles und kostengünstiges Instrument für das Screening von CI-Kandidaten geeignet ist und somit die Beratung von Patienten mit langjähriger einseitiger Taubheit verbessern könnte. Die sechste Studie befasste sich schließlich mit einer Vergleichsanalyse von CI-Patienten mit SSD und AHL in Hinblick auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Tinnitusbelastung und psychischen Komorbiditäten. Die präoperative Stressbelastung und Angstsymptomatik waren bei SSD-Patienten signifikant höher als bei AHL-Patienten. Diese Unterschiede verringerten sich jedoch sechs Monate nach der CI-Versorgung und waren teilweise nicht mehr statistisch signifikant. Die Ergebnisse zeigten, dass SSD- und AHL-Patienten sich präoperativ signifikant unterscheiden. Bei SSD-Patienten können psychosoziale Faktoren eine stärkere Auswirkung auf das subjektive Ergebnis der CI-Versorgung haben als bei AHL-Patienten. Diese Aspekte sollten sowohl in der präoperativen Beratung als auch in der postoperativen Rehabilitation Beachtung finden. Zusammengenommen sollen die vorgestellten Studien einen umfassenden Überblick über die Schwerhörigkeit bieten, der von der Grundlagenforschung bis hin zur klinischen Evaluation der Diagnostik und Therapie reicht. Durch die Verknüpfung dieser Studien in einem gemeinsamen Kontext trägt diese kumulative Habilitationsschrift zu einem breiteren Verständnis der Schwerhörigkeit bei und unterstützt die Entwicklung verbesserter diagnostischer und therapeutischer Ansätze in Zukunft.
View lessWeltweit zählen Erkrankungen des unteren Respirationstraktes zu den häufigsten Todesursachen durch Infektionskrankheiten. Vor dem Ausbruch der Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Pandemie im Jahr 2019, waren Streptococcus pneumoniae als häufigster Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (engl. community-acquired pneumonia, CAP) und Mycobacterium tuberculosis als häufigste infektionsbedingte Todesursache die wichtigsten Erreger von Atemwegsinfektionen. Im Verlauf der Pandemie hat das schwere akute Atemwegssyndrom Coronavirus Typ 2 (SARS-CoV-2) Mycobacterium tuberculosis auf den zweiten Platz der häufigsten Todesursachen durch Infektionskrankheiten verdrängt. In dieser Arbeit werden am Beispiel dieser drei prominenten Erreger von Lungeninfektionen, Mycobacterium tuberculosis, Streptococcus pneumoniae und SARS-CoV-2, allgemeine und spezifische Abwehrmechanismen der Lunge und des Immunsystems gegen respiratorische Erreger untersucht und geeignete Tiermodelle entwickelt und eingesetzt, um den Erfolg möglicher therapeutischer Maßnahmen zu evaluieren.
View lessKrebs ist bestimmt eine der größten Geißeln unserer Zeit, die sich in den Industrienationen mit steigender Tendenz zur zweithäufigsten Todesursache entwickelt hat. Eine nicht unwesentliche Ursache dafür ist zweifellos die wachsende Lebenserwartung. Die Krebsforschung ist ein breites Forschungsgebiet, das sich mit der Erforschung von Ursachen, Prävention, Erkennung und Behandlung von Krebs beschäftigt. Es umfasst eine Vielzahl von Disziplinen und Techniken und das wesentliche Ziel besteht wohl darin, unser Verständnis von Krebs zu verbessern und bessere Strategien für Prävention, Erkennung und Behandlung zu entwickeln, um letztendlich bessere Ergebnisse für Krebspatient*innen zu erzielen.
Die mpMRT hat einen enormen Beitrag zur Verbesserung der Erkennung von Prostatakrebs geleistet. Unser kleiner Beitrag dazu war die Kontrolle der weiterentwickelten PI-RADS Klassifikation. Der Score wurde initial 2012 vorgestellt um ein standardisiertes Berichtssystem für die mpMRI der Prostata zu schaffen. Im Jahr 2015 erfolgte die Veröffentlichung der zweiten Versionen die noch klarere und objektvierbarere Bewertungskriterien enthalten sollte. An dieser Stelle haben wir nachgewiesen, dass die eher schlechten klinischen Daten zur zweiten Version des Bewertungssystems für unsere Kohorte nicht zutrafen und führten so eine Validierung des überarbeiteten Bewertungssystems durch. In unserer nächsten Arbeit haben wir durch die Integration eines neuartigen, hochauflösenden Ultraschalls in den Diagnosepfad des Prostatakarzinoms einen zusätzlichen klinischen Nutzen erzielt. Dank dieses Ultraschallgeräts konnten wir die Prostata in Echtzeit visualisieren und suspekte Läsionen noch gezielter biopsieren. Dies führte zu einer Steigerung der Tumordetektionsrate im Vergleich zur alleinigen mpMRT Fusionsbiopsie. Abschließend konnten wir in unserer dritten Arbeit zeigen, dass ein Diagnosepfad nur mit dem MUS und ohne mpMRT dem mpMRT-Diagnosepfad zumindest nicht unterlegen war. Falls sich diese Ergebnisse bestätigen, wäre eine Diagnosepfad ohne mpMRT denkbar, was erhebliche Auswirkungen auf Kosten und Verfügbarkeit der gezielten Prostatabiopsie hätte.
Nach der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Erkennen von Tumorerkrankungen beschäftigten wir uns weiter mit der Vorhersage des klinischen Verlaufs von Tumorerkrankungen am Beispiel des Nierenzellkarzinoms. Neben der reinen Information zur Prognose liefern Prognosemarker wertvolle Daten für die weitere klinische Entscheidungsfindung. Das betrifft die Planung der weiterten Therapie etwa im Rahmen einer adjuvanten Chemotherapie nach Operation, das weitere Tumornachsorgeschema oder etwa den Einschluss in Studien. Beim metastasierten Nierenzellkarzinom beispielsweise werden für die Planung der unterschiedlichen Systemtherapien und auch zur Studienplanung routinemäßig klinische Parameter wie u.a. der ECOG Performance Status, der Hämoglobinwert, der Kalziumspiegel oder die Thrombozytenzahl verwendet.
Im Rahmen unserer ersten Arbeit zum Nierenzellkarzinom konnten wir nachweisen, dass die Gamma-Glutamyltransferase, die neben ihrer Funktion als Routinemarker für hepatobiliäre Erkrankungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Progress von Tumorerkrankungen spielt, signifikant mit dem Überleben assoziiert war. Die Hinzunahme der GGT erhöhte die Diskriminierung von etablierten Prognosemodellen und führte zu einer Erhöhung des klinischen „net benefit“ dieser. In der zweiten Arbeit konnten wir zeigen, dass der Prognostic Nutritional Index ebenfalls signifikant mit dem Gesamtüberleben assoziiert war. Der PNI setzt sich zusammen aus Serumalbumin und der Gesamtlymphozytenzahl und soll ein Maß zur Bewertung des Ernährungs- und Immunstatus einer Patientin/ eines Patienten sein.
Insgesamt trugen unsere Arbeiten zur Verbesserung von Diagnose und Prognose von Krebserkrankungen bei. Bei der Diagnose wirkten wir bei Weiterentwicklung der PI-RADS Klassifikation für die mpMRT der Prostata mit. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass durch Integration eines neuartigen, hochauflösenden Ultraschalls in den Diagnosepfad des Prostatakarzinoms auf die mpMRT eventuell verzichtet werden könnte. Zuletzt identifizierten wir die Gamma-Glutamyltransferase und den Prognostic Nutritional Index als relevante Prognosemarker beim Nierenzellkarzinom, welche zur Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung beitragen können.
View lessHintergrund: Bei Patient*innen mit onkologischen Erkrankungen steigt die Nachfrage für komplementärmedizinische Verfahren. Hierzu gehören äußere Anwendungen wie beispielsweise wärmende Schafgarbe-Leberkompressen, welche in naturheilkundlichen Konzepten häufig zusätzlich während onkologischer Therapien angewandt werden. Patient*innen mit onkologischen Erkrankungen leiden häufig unter Tumor-assoziierter Fatigue (TF). Diese wird mit einer Dysregulation des Autonomen Nervensystems (ANS) und Veränderungen der Herzratenvariabilität (HRV) in Zusammenhang gebracht.
Ziel: Untersuchung der Auswirkung der äußeren Anwendung von Schafgarbe-Leberkompressen auf die Aktivität des ANS mittels HRV-Analyse bei Patient*innen mit Tumor-assoziierter Fatigue bei metastasierter Tumorerkrankung, welche eine zweiwöchige Bestrahlungstherapie von ossären oder zerebralen Metastasen erhalten.
Methoden: In einer randomisierten Pilotstudie wurden Patient*innen mit Tumor-assoziierter Fatigue bei metastasierter Tumorerkrankung, welche im Rahmen ihrer onkologischen Therapie eine stationäre Bestrahlung von entweder ossären oder zerebralen Metastasen erhielten, in zwei Gruppen randomisiert: Eine Interventionsgruppe mit wiederholten Anwendungen von Schafgarbe-Leberkompressen und eine Kontrollgruppe ohne diese Anwendungen. Mittels 24-h-EKG wurden zu Beginn (T1) und zum Ende (T2) des zweiwöchigen Studienzeitraumes Daten für die Analyse der HRV erhoben und jeweils eine Tages- (d) und eine Nachtsequenz (n) extrahiert. Anschließend wurden die HRV-Parameter des Zeit- und Frequenzbereichs sowie der Nichtlinearen Dynamik analysiert.
Ergebnisse: Im Zeitraum von September 2017 bis August 2019 erfolgte die Randomisierung von 39 Patient*innen. Die Daten von 20 Patient*innen (10 Patient*innen pro Gruppe) gingen in die Auswertung ein. Zwischen den beiden Tagesmesssequenzen im Vergleich über die Zeit (T1dT2d) konnte in beiden Gruppen ein signifikanter Unterschied der HRV-Parameter beobachtet werden. In der Interventionsgruppe nahmen die HRV und die Komplexität der Regulation der Herzfrequenz ab, als Hinweis auf eine erhöhte Aktivität des Sympathischen Nervensystems (SNS). In der Kontrollgruppe hingegen nahmen die HRV und die Komplexität der Regulation der Herzfrequenz zu, als Hinweis auf eine erhöhte Aktivität des Parasympathischen Nervensystems (PNS). Im direkten Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den HRV-Parametern, mit Ausnahme des zweiten Tagesmesszeitpunktes (T2d).
Zusammenfassung: In der Interventionsgruppe mit täglicher Anwendung von Schafgarbe-Leberkompressen wurde tagsüber eine Zunahme der sympathischen Aktivität beobachtet, in der Kontrollgruppe ohne äußere Anwendungen hingegen trat tagsüber eine Zunahme der parasympathischen Aktivität auf. Aufgrund von großen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Durchführung wurde die Studie vorzeitig beendet, dennoch lässt das Pilotergebnis einige Hypothesen zu. Eine Aktivitätssteigerung des SNS tagsüber könnte beispielsweise eine Verbesserung der Mobilisierung von Energieressourcen darstellen, durch welche die Patient*innen mit TF bei metastasierter Tumorerkrankung profitieren könnten. Insgesamt sind allerdings keine klaren Aussagen möglich und es gilt die aufgestellten Hypothesen in weiteren Studien zu überprüfen.
View lessSubgingivale Restaurationsränder und subkrestale Defekte tief zerstörter Zähne stellen aus restaurativer Sicht insofern eine Herausforderung dar, als in den meisten Fällen die biologische Breite verletzt wird und nicht genug Zahnhartsubstanz für die Retention einer Kronenversorgung zur Verfügung steht. Dabei kann die orthodontische Extrusion, bei der die Zahnwurzel aus der Alveole bewegt wird, eine Restauration ermöglichen. Dieses Therapiekonzept ist in der wissenschaftlichen Literatur bisher auf Fallberichte beschränkt. Die Therapiealternative ist die Zahnextraktion, die in der Regel eine Implantatversorgung nach sich zieht. Derzeit existieren keine klinischen Studien, die beide Therapiekonzepte im Vergleich untersuchen. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, das Konzept der orthodontischen Extrusion für die Restauration tief zerstörter Zähne zu untersuchen und dieses mit der implantatprothetischen Rehabilitation zu vergleichen. Zunächst wurden Überlebensraten restaurierter, endodontisch behandelter Zähne von 128 Patienten nach bis zu 15 Jahren ausgewertet. Die Langzeitprognose endodontisch behandelter Zähne war dabei nicht von der Art des Stiftmaterials abhängig, wenn eine adhäsive Zementierung im Wurzelkanal und eine zirkumferente Fassreifenpräparation erfolgte. Diese Voraussetzung kann durch eine orthodontische Extrusion als präprothetische Maßnahme geschaffen werden. Im Rahmen einer klinischen Studie wurde die Überlebens- sowie Komplikationsrate von tief zerstörten Zähnen nach orthodontischer Extrusion und nachfolgender Restauration untersucht. Nach einem Beobachtungszeitraum von bis zu 5 Jahren wurden 30 Patienten eingeschlossen. Zwei Zähne mussten aufgrund einer Fraktur entfernt werden. Die häufigste Art der Komplikation war die Intrusion. Es konnte gezeigt werden, dass die orthodontische Extrusion eine vorhersagbare Methode darstellt, tief zerstörte Frontzähne und Prämolaren zu erhalten und mit Einzelzahnkronen zu versorgen. Darüber hinaus erfolgte eine Post-hoc-Analyse dieser Therapieform. Die Kostenparameter wurden im deutschen Gesundheitssystem aus der Perspektive der privaten Kostenträger erfasst. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde der prozentual höchste Anteil der Gesamtkosten initial verursacht. Die Kosten für die Nachbehandlungen und Komplikationen waren gering, da nur wenige Misserfolge auftraten. Für den Implantatvergleich erfolgte eine Kosten-Zeit-Analyse im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie. In einer Patientenkohorte wurden die Zähne nach orthodontischer Extrusion mit Einzelzahnkronen restauriert, während in einer zweiten Patientenkohorte die Zähne extrahiert und mit implantatretinierten Einzelkronen ersetzt wurden. Es konnten Daten für 40 Patienten nach einem Jahr erfasst werden. Implantatgetragene Rehabilitationen sind mit deutlich höheren initialen Kosten und häufigeren Behandlungssitzungen verbunden, während der Zahnerhalt eine insgesamt längere Behandlungszeit beansprucht. Diese Ergebnisse resultieren in vergleichbaren Opportunitätskosten. Darüber hinaus wurde die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität für beide Gruppen mit Hilfe eines validierten Fragebogens erfasst. In Bezug auf funktionelle Einschränkungen und physische Beeinträchtigungen war die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität während der Extrusion im Vergleich zu Implantation kurzzeitig vermindert. Vor der Behandlung, nach der Restauration und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung ist für Patienten mit Implantatversorgungen und Patienten mit Einzelkronen nach orthodontischer Extrusion die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität vergleichbar und war für beide Therapiekonzepte ab dem Zeitpunkt der Erstvorstellung verbessert.
Auf Basis der vorliegenden Untersuchungen stellt das Therapiekonzept der orthodontischen Extrusion einen geeigneten therapeutischen Ansatz dar, tief zerstörte Zähne zu erhalten und zu restaurieren.
View lessSeltene Erkrankungen haben durch ihre Vielzahl eine hohe kumulative Prävalenz. Die meisten haben genetische Ursachen. Initiativen wie das European Joint Programme on Rare Diseases und das Translate-Projekt des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zielen auf die Verbesserung der Versorgung Betroffener. Dies erfordert neue diagnostische Verfahren in der klinischen Genetik. Next-Generation-Sequencing (NGS) bietet hier großes Potenzial, da es eine umfassende, schnelle und kostengünstige genetische Testung ermöglicht. Auch seltene, unspezifische oder unklare Symptome lassen sich durch reverse Phänotypisierung pathogenen Mutationen zuordnen. Hierfür wurden Software und Leitlinien (ACMG/AMP-Kriterien) entwickelt, die Informationen zur genetischen Diagnosestellung zusammenführen. Die phänotypische Erfassung gestaltet sich jedoch schwierig, da etwa die HPO zwar phänotypische Merkmale strukturiert beschreibt, aber für die exakte Erfassung fazialer Merkmale weniger geeignet ist. Maschinelles Sehen, wie bei DeepGestalt, kann hier unterstützen, indem es genetische Syndrome anhand von Gesichtsmerkmalen erkennt. Diese Arbeit untersucht, wie NGS und faziales NGP die Diagnostik seltener genetischer Erkrankungen verbessern können. In einem Fall konnten durch Whole-Exome-Sequencing (WES) biallelische Mutationen in DONSON bei zwei Geschwistern identifiziert werden, was die Diagnose der Erkrankung MISSLA statt einer Fanconi-Anämie ermöglichte. DeepGestalt kann die Priorisierung von Exomdaten bei seltenen Diagnosen unterstützen, hat jedoch noch Defizite in der Spezifität. Whole-Genome-Sequencing (WGS) bietet eine umfassendere Testmöglichkeit, wie der Nachweis relevanter Varianten bei Extremitätenfehlbildungen und die Identifikation von HMGB1 als neues Krankheitsgen zeigen. Zukünftig könnten NGS und faziales NGP zusammen die Diagnostik seltener genetischer Erkrankungen weiter vereinheitlichen und beschleunigen, wobei eine genauere Erfassung epigenetischer und struktureller Varianten sowie nicht-kodierender Genombereiche notwendig bleibt.
View lessDie in dieser kumulativen Habilitationsschrift zusammengefassten Arbeiten beschäftigen sich mit prognostischen Markern in der Epileptologie, ihrem Einfluss auf die Diagnosestellung einer Epilepsie sowie den sich daraus ergebenden therapeutischen Konsequenzen.
In einer ersten Arbeit konnte gezeigt werden, dass klinische Parameter bei der Identifizierung akut-symptomatischer Anfälle in der Notaufnahme unterstützend herangezogen werden können. In der Studie mit insgesamt 695 Patient:innen waren drei Variablen unabhängig mit dem Vorliegen akut-symptomatischer Anfälle assoziiert: männliches Geschlecht, keine vorherige Diagnose einer Epilepsie sowie eine bilaterale oder generalisiert tonisch-klonische Anfallssemiologie. Ein Alkoholentzug war mit Abstand die häufigste Ursache akut-symptomatischer Anfälle, gefolgt von hämorrhagischen Schlaganfällen, die die häufigste Ätiologie strukturell-bedingter akut-symptomatischer Anfälle ausmachten.
In zwei Arbeiten wurden grenzwertige Befunde in der Abgrenzung von Epilepsien und in der Neuroprognostik untersucht:
In einer Meta-Analyse entsprechend der ‚PRISMA guidelines‘ wurde nachgewiesen, dass bei Patient:innen mit epileptischen Anfällen Läsionen der weißen Substanz mutmaßlich vaskulärer Genese gehäuft auftreten. Dabei sind Prävalenz und Schweregrad – nicht aber das Volumen der ‚white matter lesions‘ – unabhängig mit dem Vorliegen epileptischer Anfälle assoziiert, was auf eine hervorgehobene Bedeutung der Lokalisation der ‚white matter lesions‘ hindeutet.
Neben ‚white matter lesions‘ im MRT wurde mit periodischen EEG-Veränderungen nach Reanimation ein weiterer diagnostischer Marker analysiert. In einer Studie über EEG-Veränderungen bei Patient:innen mit hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie wurde untersucht, wie auch ein spätes EEG – durchgeführt 5-14 Tage nach Reanimation – in der Neuroprognostik herangezogen werden kann. Der Nachweis generalisierter periodischer Entladungen (GPDs) bei supprimierter Hirnaktivität war mit einer falsch-positiven Rate von 0 der sicherste EEG-Prädiktor für ein ungünstiges Outcome. Die Identifikation einer Patientin mit günstigem Outcome bei vollständig supprimierter EEG-Aktivität ohne generalisierte periodische Entladungen unterstreicht die Notwendigkeit eines multimodalen Ansatzes in der Neuroprognostik.
In einer weiteren Arbeit wurden Epilepsien ischämischer Genese näher untersucht: In einer Analyse von 595 Patient:innen wurde festgestellt, dass Post-Stroke Epilepsien eine bessere Prognose hinsichtlich des Erlangens von Anfallsfreiheit unter Medikation haben als fokale Epilepsien anderer oder unbekannter Ätiologie. Diese bessere Prognose war dabei nicht Folge einer intensiveren medikamentösen Therapie. Patient:innen mit einer Epilepsie aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls hatten die geringste Medikationslast, was das gute Ansprechen von Epilepsien dieser Ätiologie auf anfallssuppressive Medikation unterstreicht.
Wie in der klinischen Praxis mit Epilepsien, die gut auf anfallssuppressive Medikation ansprechen, verfahren wird, war Gegenstand der letzten vorgestellten Arbeit. Hier wurde gezeigt, dass ein Großteil der mehrjährig anfallsfreien Patient:innen ihre Medikation unverändert fortsetzt. Trotzdem erscheint die Erörterung eines Absetzversuchs immer lohnenswert. Denn diese wurden zu jedem Zeitpunkt der Anfallsfreiheit versucht. Sie waren am häufigsten bei Patient:innen mit einer anfallsfreien Zeit von ≥ 10 Jahren. Die unveränderte Fortführung der anfallssuppressiven Medikation war unabhängig assoziiert mit bilateral tonisch-klonischen oder generalisierten Anfällen, vorangegangenen sporadischen Anfallsrezidiven, gescheiterten Absetzversuchen sowie mit einer höheren Dosierung der anfallssuppressiven Medikation.
View lessIn der Habilitationsschrift wird die Anwendung der kardialen Computertomographie (CCT) bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz auf dem Boden der linksventrikulären Aneurysmen (LVA), die Implikation der Methode für die individualisierte Therapieplanung der rekonstruktiven Chirurgie des linken Ventrikels (LV) und der Mitralklappe (MK) sowie die Anwendung der CCT als Grundlage für die Modellierung der linksventrikulären Hämodynamik und virtuellen Therapieplanung dargestellt.
View lessOvarialkarzinome zeichnen sich durch eine hohe Mortalität aus. In der Ära der Präzisionsmedizin sind Biomarker zur Patientinnenstratifizierung dringend erforderlich. Die vorliegende Arbeit untersucht proteomische immunhistologische Biomarker (WT1, ER-α, Treg, TH17, EVI1, PARP1, IDO1 und LRP1B) an einem großen, gut charakterisierten Kollektiv von Patientinnen mit HGSOC auf prognostische Signifikanz. In silico und in vitro Analysen werden zur Bestätigung und zur mechanistischen Erklärung der gefundenen Ergebnisse herangezogen. Biologisch konnten wir Hinweise auf eine Signifikanz des TGF-ß Signaltransduktionsweges, des Lipid- und Tryptophanmetabolismus sowie immunologischer Regulationsmechanismen herausstellen. Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zur Klärung der einzigartigen Prozesse beim HGSOC.
View lessAlterations in information processing (learning and decision making) play a role in the development of addiction and psychosis. In addiction, based on preliminary work, the following are postulated: (1) an increased reward response to substance-related stimuli, (2) a reduced reward response to non-substance-related rewards (such as food), (3) reduced cognitive control over reward processes, and (4) a reduced response to confrontation with the negative consequences of substance use. In psychosis, an altered weighting of prior beliefs and new information is postulated, drawing on concepts from Bayesian statistics. The exact nature of these alterations appears to vary depending on the clinical stage and the type of prior belief, and the evidence available to date is inconclusive. In both disorders, the described alterations in information processing are associated with specific pathologies of the dopamine system. In addiction, the role of dopamine in reward processes (which are altered in favor of the substance) is particularly important, while in psychosis, the function of dopamine as a learning signal appears to be disrupted. In our own work on addiction, we were able to show that the dopaminergic reward system of smokers reacts more strongly to substance-related stimuli and less strongly to alternative reward stimuli, and that it is more strongly activated in heavily drinking individuals when they make decisions to consume alcoholic beverages. Furthermore, we were able to show that the reactivity to threatening depictions of physical consequences of smoking does not differ significantly between smokers and non-smokers, but that in smokers, the preceding presentation of these depictions evokes control processes during the subsequent presentation of substance-related stimuli. Finally, and contrary to our initial hypothesis and some preliminary findings, we found no reduced activity in areas associated with cognitive control during the regulation of craving in smokers and during decisions to consume alcohol as the drinking severity increased in subjects with abusive alcohol consumption. In individuals with a higher (subclinical) psychosis proneness, we found a relative predominance of new information (a reduced influence of prior beliefs) in perceptual, but not in probabilistic decision making. Furthermore, we found an increased influence of prior beliefs regarding socially significant stimuli (faces and direct eye contact). Finally, we found an altered learning from new information in the sense of reduced suppression of unlikely / surprising information related to higher psychosis proneness. A limitation of the presented work is the small sample size. Furthermore, the results, especially of the studies on psychosis, were partly contradictory, even when taking into account previous work, with regard to the influence of prior beliefs in different tasks. Thus, the hope that the diversity of psychotic symptoms can be traced back to a few core pathologies does not seem to be fulfilled and more complex models have to be developed. Despite these limitations, the works represent important building blocks for the important endeavor of developing a common cognitive-neurobiological understanding of psychiatric disorders. The decisive validation step for the tests and markers derived from the theories (both neurophysiological fMRI markers and markers from computational modelling of behavior) is their translation into clinical practice. Future studies will have to show whether these markers are suitable for predicting diagnosis, prognosis and response to specific therapies, and thus for making a real improvement to the lives of the affected patients.
View lessDie besondere Herausforderung der medizinischen Wissenschaft besteht heutzutage darin, die zunehmend unüberschaubare Fülle weltweiter Forschungsergebnisse in für die Therapie verwertbare Botschaften umzumünzen. Diese Überlegung bildet das Fundament und den Antrieb aller in dieser Habilitationsschrift vorgelegten Arbeiten. Inhaltlich befassen sich die Arbeiten mit der Pharmakotherapie der akuten Depression und der Transgenerationalität des Suizidrisikos. Die Fragen nach der relativen Wirksamkeit von Antidepressiva gegenüber Placebo und nach dem optimalen Behandlungsvorgehen bei unzureichendem Ansprechen auf eine erste Therapie mit Antidepressiva zählen zu den klinisch wohl drängendsten Fragen in der Akutbehandlung der Depression. Vor diesem Hintergrund behandelt der Hauptteil der in der vorliegenden Arbeit präsentierten Studien pharmakotherapeutische Aspekte der Akutbehandlung affektiver Störungen. Im Zentrum der wissenschaftlichen Forschungen steht dabei die Behandlung der unipolaren Depression mit Antidepressiva in der Akutphase der Erkrankung. Gemeinsames Ziel der entsprechenden in der Habilitationsschrift zusammengefassten Studien ist es u.a. der Praxis wissenschaftlich abgesicherte Informationen über den optimalen Einsatz von Antidepressiva zur Verfügung zu stellen. Geforscht wurde u. a. nach statistisch belastbaren Anhaltspunkten, ob eine langfristige antidepressive Wirkung nicht allein auf den natürlichen Verlauf der Erkrankung, sondern auch auf eine pharmakologische Wirkung zurückzuführen ist. Weitere Forschungen behandeln die Fragen nach dem Verlauf des Ansprechens auf eine Pharmakotherapie, dem optimalen Zeitpunkt eines Therapiewechsels bei unzureichendem Ansprechen, sowie die Frage nach Wirksamkeit und Verträglichkeit der antidepressiven Kombinationstherapie. Als eigenständiger weiterer Forschungsschwerpunkt wird die Transgenerationalität affektiver Störungen am Beispiel der Suizidalität betrachtet. Hier ging es dem Verfasser und den weiteren Mitgliedern des Forschungsteams darum, das transgenerationale Suizidrisiko zu quantifizieren, sowie auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Transmissionswegen und Einflussfaktoren ein Modell der familiären Weitergabe von Suizidalität zu entwerfen, anhand dessen Strategien zur Suizidprävention für die Praxis entwickelt werden können. Eine verbindende Klammer zwischen allen vorgestellten Studien ist die gewählte Forschungsmethode. So beruhen sämtliche in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse auf der Methodik der Meta-Analyse. In diese spezifische Methode wird daher in einem einleitenden Kapitel gesondert eingeführt.
View lessDie Sarkopenie, das zentrale Thema dieser Arbeit, bezeichnet einen fortschreitenden und generalisierten Prozess eines zunehmenden Verlustes an Muskelmasse, Muskelkraft und muskulärer Funktion, welcher ab einem bestimmten Ausmaß auch zu negativen Folgen wie erhöhter Sturzhäufigkeit und funktionellen Einbußen führen kann. Die Sarkopenie gilt als wesentlich mit dem Alterungsprozess und den damit einhergehenden Veränderungen in der Muskulatur assoziiert. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag auf der Bestimmung der Prävalenz der Sarkopenie gemäß den zum Zeitpunkt der Untersuchungen empfohlenen diagnostischen Kriterien und der Analyse von Zusammenhängen zwischen Sarkopenie einerseits und möglichen Ursachen sowie auch Folgen der Sarkopenie andererseits. Ergänzt wurde dieser Schwerpunkt durch methodische Fragestellungen in Hinblick auf die diagnostischen Kriterien und Überlegungen hinsichtlich möglicher therapeutischer Optionen. In den vorgestellten Originalarbeiten konnte gezeigt werden, dass auch bei noch vergleichsweise gesunden älteren Menschen eine als relevant hoch einzuschätzende Prävalenz der Sarkopenie vorliegen kann. Es zeigte sich dabei auch, dass methodische Aspekte wie die Verwendung unterschiedlicher Parameter der Muskelmasse die Erhebung der Sarkopenieprävalenz stark beeinflussen können. Ferner waren signifikante Unterschiede zwischen zwei dieser untersuchten Parameter zu beobachten was deren Assoziation zu Pre-Frailty/Frailty und zu selbstberichteten Limitationen der physischen Performance und damit potentiellen Folgen der Sarkopenie angeht. In weiteren Analysen konnte gezeigt werden, dass ein Diabetes mellitus Typ 2 mit Sarkopenie assoziiert ist und eine niedrige Muskelmasse mit einer ausgeprägteren Insulinresistenz einherzugehen scheint, wobei hier die Kausalität aufgrund der Limitation querschnittlicher Analysen vorerst unklar bleibt. In weiteren Analysen ergaben sich zudem Hinweise, dass Störungen der thyreoidalen Funktion eine Sarkopenie begünstigen könnten. Dieser mögliche Effekt scheint sich jedoch insbesondere in Hinblick auf eine hypothyreote Stoffwechsellage in höherem Alter abzuschwächen. Ein positiver Zusammenhang zwischen der Einnahme von Angiotensin Converting Enzyme (ACE) – Hemmern und mehreren Parametern der Sarkopenie, hypothetisch möglich aufgrund potentieller protektiver Effekte von ACE-Hemmern auf die Skelettmuskulatur, fand sich nicht.
View lessDank des medizinischen Fortschritts ist die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Chronische Erkrankungen vor allem des kardiovaskulären Systems schmälern jedoch diesen Erfolg, da durch sie die Jahre in Gesundheit nicht in gleichem Maße zugenommen haben. Die Folge ist eine alternde Gesellschaft mit hoher Krankheitslast und zunehmendem Pflegebedarf. Die Stärkung endogener regenerativer Ressourcen könnte eine anhaltende Resistenz gegenüber pathogenen Stimuli bis ins hohe Alter ermöglichen, so dass der Anteil gesunder Lebensjahre zunimmt und zu mehr Lebensqualität bei geringerer Belastung des Gesundheits- und Pflegesektors führt. Die hier dargestellten Arbeiten zeigen, wie eine Modulation des mTOR-Signalnetzwerkes protektive Mechanismen auf zellulärer Ebene aktivieren kann, die vor pathologischen vorzeitigen Alterungsprozessen und altersassoziierten Erkrankungen schützen können. Insbesondere der Hemmung von mTORC1 bei gleichzeitiger Aktivierung von mTORC2 kommt hierbei eine herausragende Bedeutung zu: In humanen MSC, die als Vorläuferzellen für glatte Gefäßmuskelzellen ein relevantes Beispiel für den vaskulären Regenerationsapparat darstellen, wurde durch dieses Aktivierungsmuster des mTOR-Netzwerkes Autophagie gefördert und in der Folge zelluläre Seneszenz und Apoptose verhindert. Insgesamt resultierte diese Aktivierung protektiver Zellschicksale in einer Reduktion osteoblastärer Differenzierung und einem Schutz vor Kalzifizierung. Hieraus lässt sich das Potenzial ableiten, über eine entsprechende Beeinflussung des mTOR-Netzwerkes die endogene Regenerationsfähigkeit des Gefäßsystems durch MSC als vaskulären Progenitorzellen aufrechtzuerhalten. Außerdem stabilisierte der mTOR-Modulator Rapamycin in MSC einen kontraktilen glattmuskulären Phänotyp. Als weiteres Beispiel diente ein Nierentransplantationsmodell der Ratte. Hier zeigte Rapamycin in der unmittelbaren Posttransplantationsphase eine deutliche Reduktion zellulärer Seneszenz in multiplen Organkompartimenten ohne negative Auswirkungen auf die vaskuläre Integrität und die Rückbildung des Konservierungs-Reperfusionsschadens. Hierdurch kann die Regenerationsfähigkeit der transplantierten Niere auch gegenüber künftigen schädigenden Einflüssen erhalten bleiben, so dass sie besser vor interstitieller Fibrose und Tubulusatrophie geschützt ist. Eine gezielte Beeinflussung des mTOR-Netzwerkes durch pharmakologische und nicht-pharmakologische Maßnahmen könnte über eine Aktivierung protektiver Zellschicksale das endogene Regenerationspotenzial körpereigener Vorläuferzellen erhalten und so vor vorzeitiger Alterung in Folge pathogener Stimuli und vor degenerativen Schäden im Alter schützen. Dies könnte eine Verlängerung der Gesundheitserwartung ermöglichen und so die Bedarfssteigerung finanzieller und humaner Ressourcen trotz des demographischen Wandels hin zu einer immer älteren Gesellschaft dämpfen.
View lessIn dieser Habilitationsarbeit wurden hochspezifische pathophysiologische Konzepte im Kontext verschiedener klinischer Präsentationen einiger ausgewählter neuromuskulärer Erkrankungen untersucht. Dabei kam ein Spektrum von experimentellen, morphologischen und klinischen Techniken zum Einsatz, um verschiedene Aspekte der jeweiligen Erkrankung zu untersuchen. Im Kontext inflammatorischer (IBM, SSc) und hereditärer (MADD, Danon-Erkrankung) Myopathien konnten morphologische und molekulare Muster herausgearbeitet werden, die mit der klinischen Präsentation korrelieren. Darüber hinaus wurde das bisherige pathophysiologische Verständnis der IBM erweitert und das darauf basierende Konzept der IBM-Spektrumserkrankung eingeführt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden auch mögliche Kandidaten für einen neuen IBM-Biomarker identifiziert. Zudem wurden sowohl im Kontext hereditärer (Danon-Erkrankung), wie auch erworbener Myopathien (IBM/PM-Mito) relevante mitochondriale Veränderungen identifiziert, denen ein bislang nicht ausreichend verstandener Anteil an der Pathophysiologie und dem Phänotyp der Erkrankungen zukommt. Schließlich wurde das klinische Spektrum der TTR-Amyloidose erweitert und die ATTRwt neben der ATTRv als behandelbare Ursache für Polyneuropathien in höherem Lebensalter identifiziert. Zusammengefasst stellen die hier präsentierten klinischen und experimentellen Arbeiten die Grundlage für weitere Forschungsprojekte dar, die, gleichberechtigt zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, die Verbesserung der Versorgung von Patient*innen mit neuromuskulären Erkrankungen zum Ziel haben werden.
View lessMigräne tritt bei Frauen zwei- bis dreimal häufiger auf als bei Männern. Zudem sind Migräneattacken bei Frauen länger und schwerer, was insgesamt zu einer stärkeren Beeinträchtigung im Vergleich zu Männern führt. Die Ursachen für solche geschlechtsabhängigen Unterschiede sind vielschichtig und betreffen sowohl psychosoziale als auch biologische Aspekte. Ein tiefergehendes Verständnis geschlechtsabhängiger Mechanismen ist notwendig, um die Versorgung von Migränepatient:innen zu verbessern, spezifische therapeutische Ansätze zu entwickeln und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Die in dieser Habilitationsschrift vorgestellten Studien tragen dazu bei, wichtige geschlechtsspezifische Aspekte in der Pathophysiologie, Diagnostik, Behandlung und sozialer Wahrnehmung von Migräne zu charakterisieren. Ein zentrales Neuropeptid in der Migränepathophysiologie ist Calcitonin Gene-Related Peptid (CGRP). In einer prospektiven Kohortenstudie konnten wir erstmalig unterschiedliche CGRP-Konzentrationen bei Frauen mit Migräne und gesunden Kontrollprobandinnen, basierend auf ihren Sexualhormonprofilen, nachweisen. Höhere perimenstruelle CGRP-Konzentrationen bei Migränepatientinnen im Vergleich zu gesunden Frauen weisen auf eine verstärkte perimenstruelle Freisetzung von CGRP hin. Diese Ergebnisse bieten somit eine mögliche pathophysiologische Erklärung für die erhöhte Anfälligkeit für Migräneattacken in dieser Zyklusphase. CGRP spielt auch in der Pathophysiologie der Endometriose, einer häufigen Komorbidität bei Frauen mit Migräne, eine bedeutende Rolle. In einer weiteren Kohortenstudie konnten wir die Hypothese einer hormonbedingten Fehlregulation des CGRP-Signalweges bei komorbiden Patientinnen bestätigen. Obwohl keine signifikanten Unterschiede in den absoluten CGRP-Spiegeln festgestellt wurden, zeigte sich, dass Frauen mit beiden Erkrankungen während der Menstruation einen Anstieg der CGRP-Konzentrationen aufwiesen, was auf eine besondere pathophysiologische Relevanz von CGRP bei komorbiden Patientinnen hinweist. Ein weiterer geschlechtsspezifischer Aspekt in der Behandlung von Frauen mit Migräne betrifft die Verwendung von hormonhaltigen Kontrazeptiva, die den Migräneverlauf beeinflussen können. Eine deutschlandweite Umfrage unter Gynäkolog:innen ergab, dass diese nahezu immer das Vorhandensein von Migräne vor einer Verschreibung von Kontrazeptiva berücksichtigen. Die Zurückhaltung bei der Verschreibung von östrogenhaltigen Kontrazeptiva bei Migräne mit Aura entspricht den gültigen Leitlinien. Angesichts der Tatsache, dass Gynäkolog:innen ebenfalls therapeutische Entscheidungen für Patientinnen mit Migräne treffen, betont diese Studie die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen beiden Disziplinen. Veränderungen des hormonellen Zustandes während der Schwangerschaft können zu Änderungen von Kopfschmerzeigenschaften führen. Unsere klinische Datenerhebung zeigte, dass Migräne die häufigste Ursache für kopfschmerzbedingte Vorstellungen in der Rettungsstelle der Charité während der Schwangerschaft ist. Dennoch wurde bei über 40% der Patientinnen eine sekundäre Kopfschmerzursache diagnostiziert. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer gründlichen Anamnese, klinischen und neurologischen Untersuchung sowie gegebenenfalls weiterer Diagnostik, um potenziell lebensbedrohliche Kopfschmerzursachen nicht zu übersehen. Abschließend konzentrierte sich eine prospektive Befragung auf die Wahrnehmung von stereotypen Migränebildern in den Medien. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Bilder von Patient:innen mit Migräne und Mitarbeitenden im Gesundheitswesen als nur mäßig realistisch wahrgenommen werden. Insbesondere Bilder mit jungen Frauen wurden als am wenigsten realistisch empfunden, was die dringende Notwendigkeit einer Überarbeitung und Verbesserung solcher Darstellungen verdeutlicht.
Die vorgestellten Arbeiten tragen neue Erkenntnisse zu zahlreichen geschlechtsabhängigen Unterschieden in der Pathophysiologie, Diagnostik und gesellschaftlichen Wahrnehmung von Migräne bei. Sexualhormone sind entscheidend an der Migränepathophysiologie beteiligt, und künftige Arbeiten werden sich darauf konzentrieren, hormonabhängige entzündliche, vaskuläre und neuronale Prozesse der Migränepathophysiologie genauer zu charakterisieren. Die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte im biopsychosozialen Modell der Migräne ist von herausragender Bedeutung, um dieses komplexe Krankheitsbild gründlicher zu verstehen und eine optimale Versorgung von Patient:innen aller Geschlechter in jeder Lebensphase zu gewährleisten.
View lessPrimärer Leberkrebs – hepatozelluläres (HCC) und cholangiozelluläres Karzinom (CCA) - ist die Tumorerkrankung, die nach dem Lungenkarzinom für den Verlust der meisten Lebensjahre weltweit verantwortlich gemacht wird. Unter einem Drittel der Patienten kann kurativen Therapien, wie der Leberresektion zugeführt werden, aber ihr Outcome ist durch eine hohe perioperative Morbidität und Mortalität sowie hohe Rezidivraten limitiert, sodass ein hoher Bedarf besteht, präoperativ PatientInnen besser zu stratifizieren. In dieser Habilitationsschrift wurden prognostische Parameter für primäre Lebertumoren nach einer Leberteilresektion in kurativer Intention untersucht. Hierbei lag ein Fokus auf dem selteneren, und gerade in Europäischen Kollektiven unterrepräsentiertem, Cholangiokarzinom. Bisherige prognostische Parameter haben einen starken Fokus auf Tumor-Parameter, wie Genmutationen und pathologische Kriterien gelegt. Einzelnukleotidpolymorphismen können sich sowohl auf Prozesse der Wirtszellen, als auch auf die Interaktion des Wirtes mit dem Tumor auswirken, zum Beispiel in Bereichen der Immunologie und Neoangiogenese. Hierbei fanden wir für IL-1b, IL-8, und den IL-8 Rezeptor, Polymorphismen, die hochgradig mit der onkologischen und allgemeinen Prognose assoziiert war. Somit kann die Analyse von Genopymorphismen die Abschätzung onkologischer Outcomes auch für das CCA unterstützen.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde anhand präoperativer Computertomographie (CT)-Bilder die Körperzusammensetzung basierend auf dem Muskel-und Fettkompartiment. Wichtige Erkenntnisse hierbei waren, dass während isolierte konventionelle Parameter wie die Sarkopenie oder die viszerale oder subkutane Fettleibigkeit keinen isolierten prognostischen Stellenwert hatten, hatten Patient*innen mit Sarkopener Obesität ein dramatisch verkürztes Überleben. Somit konnten unsere Daten eine – gerade im Kontext der weltweiten Übergewichtsepidemie immer prävalenter werdende – Hochrisikogruppe aufzeigen, die bei konventioneller klinischer Betrachtung durch BMI nicht aufgefallen wäre.
Zusammenfassend konnte diese Arbeit angeborene als auch akquirierte Wirtfaktoren als prognostisch relevant für das chirurgisch therapierte Cholangiokarzinom herausstellen. Unsere Ergebnisse können dank ihrer präoperativen Erhebbarkeit (Einzelnukleotidpolymorphismen aus peripherem Blut, body composition aus präoperativen CT Bildern) prognostisch unterstützend wirken und in Zukunft helfen, vulnerable Patient*innengruppen aufzeigen.
View lessDie Erzeugung und Aufrechterhaltung der synaptischen Übertragung zählen zu den energieaufwändigsten Phänomenen in der Biologie. Das Gehirn ist deswegen auf ein ununterbrochenes Angebot an Glukose und Sauerstoff angewiesen. Störungen in der Nutrientenversorgung von Neuronen führen zu chronischer Neurodegeneration und/oder zum akuten neuronalen Tod. Die in dieser Habilitation zusammengefassten Studien untersuchten den Energieverbrauch der synaptischen Übertragung studiert und den Einfluss von Anästhetika auf den Neurometabolismus. Ein besseres Verständnis über den energetischen Preis einzelner synaptischen Prozesse könnte uns helfen, neue neuroprotektive Therapien zu entwickeln. Anästhetika rufen stärkste reversible Effekte in der synaptischen Übertragung hervor und senken dadurch den neuronalen Energiebedarf. Die neurometabolischen Effekte der Anästhetika sind vielfaltig, nicht eindeutig verstanden und sowohl neuroprotektiver als auch neurotoxischer Natur. In mehreren experimentellen Studien untersuchten wir die Effekte von drei gängigen Narkosemitteln (Propofol, Isofluran und Sevofluran) ex vivo und in vivo im Gehirn von Wistar-Ratten. Zu diesem Zweck wurden elektrophysiologische Messungen, Sauerstoffmessungen, Autofluoroszenzmessungen, molekularbiologische Techniken und Computermodellierung kombiniert. 40 Im Ergebnis konnten wir feststellen, dass nur hohe Konzentrationen der Anästhetika bzw. eine sehr tiefe Narkose die oxydative Phosphorylierung im neuronalen Gewebe senken. Für Propofol waren diese Effekte teilweise mit einer direkten Hemmung von mitochondrialen Enzymen verbunden. Bei Isofluran und Sevofluran wurde die Senkung des Energieverbrauchs vor allem durch eine Hemmung der synaptischen Übertragung bzw. der Netzwerkaktivität hervorgerufen. Isofluran hatte von allen getesteten Narkotika die stärkste Wirkung auf den Neurometabolismus. Wir haben des Weiteren zum ersten Mal eine spezifische Hemmung der Natrium-Pumpe im Hirngewebe durch Isofluran beschrieben. Dies könnte nicht nur der Grund für den starken Effekt von Isofluran auf den neuronalen Energieverbrauch sein, sondern auch eine Störung der Ionhomöostase im Gehirn während einer tiefen Narkose erklären. Ein neuroprotektiver oder neurotoxischer Effekt von Anästhetika lässt sich in unseren Untersuchungen nicht eindeutig feststellen. Da schwerwiegende Effekte im Metabolismus und Gewebehomöostase nur unter hohen Konzentrationen bzw. bei der tiefen Anästhesie beobachtet werden sollte diese durch Neuromonitoring vermieden werden. Eine Senkung des Metabolismus im Gehirn zwecks Neuroprotektion ist möglich aber die notwendige Narkosetiefe birgt Risiken durch weitere unspezifische Effekte auf die Neuronen.
View lessDie chirurgische Resektion von Leber- und Lungentumoren ist das einzige Therapieverfahren mit gesicherter kurativer Zielsetzung. Allerdings kann nur eine Minderheit der Patienten einer chirurgischen Therapie zugeführt werden. Bei In-situ-Ablationsverfahren wie der Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) und der Radiofrequenzablation (RFA) werden Tumoren mit einem nadelförmigen Applikator punktiert und mittels thermischer Energie in-situ zerstört. Limitiert wird der sichere klinische Einsatz der Ablationsverfahren bislang durch die fehlende Kenntnis der Lichtausbreitung im Gewebe, um eine Vorhersage über das Ausmaß der entstehenden Thermoläsionen zu treffen und die geeigneten Applikationsparameter für eine vollständige Tumorzerstörung im Vorfeld der Behandlung festlegen zu können. Ferner ist aus onkologischen Gründen die Induktion ausreichend großer Läsionen mit vollständiger Tumordestruktion erforderlich. Ziel dieser Habilitationsarbeit war es daher, den genannten Limitationen der LITT und RFA durch die experimentelle und klinische Evaluation neuer Applikationsmodi und Planungsmöglichkeiten an der Leber, Lunge und Schilddrüse entgegen zu wirken und damit das Spektrum der Therapiemöglichkeiten auszuweiten. Der erste Schritt bestand in der Evaluation der optischen Gewebeparameter kolorektaler Lebermetastasen und deren Primärtumoren im nativen und koagulierten Zustand von Patienten mit einem synchron hepatisch metastasierten Kolonkarzinom. Trotz gleicher Histologie zeigten sich keine Übereinstimmungen der optischen Parameter von Primärtumor und Lebermetastase, was auf eine Modifikation durch die Metastasierung hindeutet. Ferner kam es infolge der thermischen Gewebekoagulation zu einer Veränderung der optischen Parameter von Kolonkarzinom- und Lebermetastasengewebe. Mit diesem Projektteil konnten erstmalig die optischen Gewebeparameter kolorektaler Lebermetastasen und deren Primätumoren vorgelegt werden. Die Daten machen deutlich, dass für eine effektive Anwendung der LITT eine Anpassung der Bestrahlungsparameter mit zunehmender Applikationsdauer erforderlich ist. Zur Behandlung auch größerer Lebermetastasen wurde im zweiten Arbeitsschritt eine Optimierung der LITT angestrebt. Hierbei wurde die LITT in Kombination mit einer Unterbrechung der Leberperfusion hinsichtlich ihrer Effektivität im Vergleich zur normalen Perfusion bei Patienten mit irresektablen, hepatischen Metastasen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die LITT in Kombination mit einer Perfusionsunterbrechung zu einer Erhöhung der Läsionsvolumina führt. Bei gleicher Komplikationsrate im Vergleich zur LITT ohne Perfusionsunterbrechung können auf diesem Wege bedeutend größere Thermoläsionen erzielt werden. Die geringe Invasivität machen die In-situ-Ablationsverfahren auch für die Therapie von Tumoren anderer parenchymatöser Organe, wie der Lunge und der Schilddrüse, interessant. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde die LITT zunächst an der Lunge evaluiert. Hierbei wurde die an Schweinelungen ex-vivo mittels eines perkutanen als auch offenen Punktionssystems induzierten Thermoläsionen in Abhängigkeit der verwendeten Applikationsdauer und -leistung untersucht, um so den Leistungsbereich für die Induktion möglichst großer Läsionen zu bestimmen. Es konnten erstmals Daten für eine Dosis-Wirkungs-Beziehung für die LITT an Lungengewebe gewonnen werden. Sowohl das perkutane als auch das offene Applikationssystem der LITT induziert reproduzierbare, klinisch relevante Läsionen in der Lunge. In den letzten hier dargestellten Arbeiten galt es, die LITT sowie die RFA in Hinblick auf die Größe induzierbarer Läsionen in Relation zur Applikationsdauer und –leistung an der Schilddrüse zu evaluieren. Die vorliegenden Arbeiten beschreiben erstmalig die Grundlagen der LITT sowie der RFA an der Schilddrüse. Es gelang mit beiden Ablationsverfahren reproduzierbare Thermoläsionen von relevanter Größe in der Schilddrüse zu induzieren. Zudem wurden beide Ablationsverfahren erstmalig hinsichtlich ihrer Effektivität miteinander verglichen. Ein Vergleich beider Verfahren ist hierbei prinzipiell schwierig, da die LITT und RFA auf unterschiedlichen Technologien mit verschiedenen Energiequellen und –absorptionsraten beruhen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass in unserem experimentellen Ansatz mit der LITT größere Läsionsvolumina zu erzielen sind. Wesentlicher Vorteil der LITT gegenüber der RFA ist hierbei das Fehlen von Impedanzproblemen, zum Nachteil einer manuell aufwendigeren Punktion. Im Ergebnis konnten wir mit der in dieser Arbeit erfolgten experimentellen und klinischen Evaluation neuer Applikationsmodi und Planungsmöglichkeiten Lösungswege aufzeigen, die geeignet sind, den bisherigen Limitationen im Einsatz der LITT und RFA entgegen zu wirken. Durch die im Rahmen dieser Arbeit erfolgte Bestimmung der optischen Gewebeparameter von Lebermetastasen und deren kolorektalen Primärtumoren wurden die Grundlagen für die Entwicklung und erste Evaluation eines Dosimetrie-Modells für die LITT an der Leber geschaffen, wodurch es möglich ist, die Applikationsparameter für eine sichere und vollständige Tumorzellzerstörung prätherapeutisch zu ermitteln. Die Kombination der LITT mit einer Unterbrechung der Leberperfusion bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den effektivitätshemmenden Kühleffekten der Leberdurchblutung zu reduzieren und somit die onkologische Effektivität zu verbessern. Durch die Untersuchungen zur Dosimetrie der LITT und RFA an der Lunge sowie der Schilddrüse wurden zudem wesentliche Grundlagen für eine klinische Ausweitung der In-situ-Ablationsverfahren auf weitere parenchymatöse Organe neben der Leber geschaffen. Es bedarf jedoch weiterer Untersuchungen, in denen insbesondere der Einfluss von Perfusion und Ventilation auf die In-situ- Ablationsverfahren während einer in-vivo-Anwendung evaluiert werden sollten.
View lessIn den Originalarbeiten dieser Habilitationsschrift wurde untersucht inwieweit quantitativ messbare Veränderungen verschiedener Aspekte der menschlichen Wahrnehmung Aufschluss über die Pathophysiologie von Schmerzsyndromen und Bewegungsstörungen geben oder gar als diagnostischer Marker für spezifische Erkrankungen herangezogen werden können. Hierzu wurden Verfahren zur Erfassung der somatosensorischen Funktion und von internen prämotorischen Signalen genutzt. Wir konnten für das CRPS zeigen, dass die Druckschmerzschwellen nicht nur über der Muskulatur der betroffenen Extremität, sondern auch über den distalen Gelenken erniedrigt waren. Darüber hinaus korrelierte die erniedrigte Druckschmerzschwelle mit dem erhöhten periartikulären Knochenmetabolismus in der Spätphase der Drei-Phasen-Szintigraphie, was die Validität dieser psychophysikalischen Messung unterstreicht. Die Druckhyperalgesie über den Gelenken war hochspezifisch und sensitiv für das CPRS, so dass diese Untersuchung in Zukunft als diagnostische Ergänzung zu den rein klinischen Diagnosekriterien des CRPS genutzt werden könnte. Weiterhin phänotypisierten wir Patient:innen mit molekulargenetisch gesicherter hereditärer Erythromelalgie bei Mutationen im SCN9A Gen. Bemerkenswerterweise zeichneten die Betroffenen neben den für die Erkrankung klassischen paroxysmalen Schmerzattacken in den Extremitäten auch einen Dauerschmerz auf. Dieser könnte mit der Funktionsstörung der kleinkalibrigen Nervenfasern zusammenhängen, die wir in diesem Kollektiv mittels quantitativ sensorischer Testung detektierten. Bei isolierten fokalen Dystonien fanden wir wider Erwarten keinerlei Veränderung in behavioralen Markern als Korrelate für die kortikale Somatotopie in dystonen und nicht-betroffenen Arealen. Hier könnte eine zu geringe Sensitivität der Methode zur Detektion von Veränderungen in Bezug auf die untersuchte Körperregion eine Rolle gespielt haben. Ergänzend stellten wir fest, dass eine physikalische Dehnung der Haut, wie sie bei abnormen Körperhaltungen bei der Dystonie vorkommt, zu einer veränderten Wahrnehmung der Distanz zwischen zwei taktilen Reizen führt. Dies deutet darauf hin, dass keine korrigierenden top-down-Mechanismen existieren, welche zu einer Größenkonstanz taktiler Reize trotz Dehnung der Haut führen würden. Schließlich demonstrierten wir bei Patient:innen mit Tourette-Syndrom eine durch die Erkrankung beeinträchtigte Entwicklung der Fähigkeit zur Diskrimination interner prämotorischer Signale. Die gestörte Signaldetektion könnte zur Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen, aber auch einen möglichen Ansatzpunkt für behaviorale Therapien darstellen.
View lessAntiestrogen therapy is an integral part of the treatment of estrogen receptor α (ERα)-positive breast cancer, since it inhibits ERα-dependent tumor growth. In addition, over recent years, ERα signaling has been implicated in the mechanisms of breast cancer metastasis, which might add a new mode of action to antiestrogen therapy. Data from in vitro studies suggest that ERα-dependent downregulation of the expression of the cell-cell adhesion protein E-cadherin crucially promotes breast cancer metastasis. However, clinical studies show that E-cadherin expression only poorly predicts the risk of breast cancer metastasis in vivo. In addition to E-cadherin expression, cell-cell adhesion and thus the metastatic potential of breast cancer cells are essentially regulated by the complex interaction between E-cadherin and the cortical actomyosin cytoskeleton at the adherens junction (AJ) protein complex. In my thesis, I studied the impact of the clinical antiestrogen Fulvestrant on AJs using the MCF-7/vBOS breast cancer cell line. ERα inhibition by Fulvestrant did not change E-cadherin expression but induced a distinct reorganization of E-cadherin-mediated AJs. The effect of Fulvestrant and other antiestrogens on AJ organization could be specifically attributed to ERα inhibition. Furthermore, AJ reorganization depended on the cortical actomyosin cytoskeleton which might be the primary target of ERα inhibition. Investigating the functional consequences, I could show that the reorganization of AJs does not represent an impairment of AJ-mediated cell-cell adhesion. On the contrary, reorganized AJs were more stable as indicated by decreased cleavage of E-cadherin. Moreover, cells in a confluent cell monolayer were less motile, suggesting an increase in cell-cell adhesion. Studying breast cancer tissue sections, I observed that AJs were diversely organized in vivo. Here, an irregular organization of AJs correlated with low ERα activity, substantiating the data I obtained from the in vitro experiments with MCF-7/vBOS cells. Taken together, these results suggest that antiestrogen therapy might affect AJ organization, thereby increasing cell-cell adhesion and preventing the metastatic spread of breast cancer cells. However, further studies are required to assess the clinical relevance of AJ organization in vivo. Altering the organization of AJs could represent a novel mode of action of antiestrogen therapy. Moreover, AJ organization might serve as a diagnostic tool to predict the metastatic risk of breast cancer. Consequently, this could improve the diagnosis, therapy, and prognosis of breast cancer patients.
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