Nemertea (Schnurwürmer) sind unsegmentierte, wurmförmige Spiralier, deren Monophylie aufgrund einer Reihe von Autapomorphien sicher begründet ist. Sie besitzen einen ausstülpbaren Rüssel, der in Ruhe in einem flüssigkeitsgefülltem Hohlraum liegt, ein ringförmiges Cerebralganglion, das sich statt um den Schlund um die Insertion des Rüssels legt, und ein mit einem Epithel ausgekleidetes laterales Gefäßsystem. Abgesehen davon gelten sie als merkmalsarm, was dazu geführt hat, dass sie als basale Spiralier gewertet und in Verwandtschaft mit den Plathelminthes gestellt wurden. Neuere Hypothesen sehen die Nemertea an der Basis der Trochozoa oder platzieren sie innerhalb der Trochozoa. Jede der formulierten Hypothesen lässt eine spezifische Merkmalskombination in der Ausbildung des Hautmuskelschlauches, der Nierenorgane und der pigmentierten Augen erwarten. Daten zu diesen Organsystemen sind bei Nemertinen, im Gegensatz zu den möglichen Schwestergruppen, nicht ausreichend vorhanden, um die genannten Verwandtschafts-hypothesen zu bewerten. Insbesondere für die basalen Teilgruppen der Nemertea sind diese Daten nicht bekannt, wären aber für eine Evaluation der Merkmalspolarität von besonderer Relevanz. Zur Klärung der phylogenetischen Stellung der Nemertea innerhalb der Spiralia wurden die Entwicklung der pigmentierten Augen und der Muskulatur sowie die Ultrastruktur der Nierenorgane in Larven und Jungtieren von Vertretern der meisten hochrangigen Teiltaxa der Nemertea vergleichend untersucht. Im Zuge dieser Arbeit wurden die Kenntnisse zur Biologie einer der häufigsten europäischen Nemertinen-Arten, Lineus viridis, erweitert und eine vergleichende Untersuchung zur Spermienmorphologie zur Klärung der Innengruppen-verhältnisse bei den Nemertea durchgeführt. Deren Ergebnisse bestätigen aktuelle Hypothesen über die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Nemertea und erlauben eine Bewertung der konkurrierenden Verwandtschaftshypothesen zu anderen Spiralia. Aufgrund der neuen Daten kann ein Schwestergruppenverhältnis mit den Plathelminthes ausgeschlossen werden. Ob die Nemertea an die Basis der Spiralia, als Schwestergruppe der übrigen Trochozoa oder ein Teiltaxon der Trochozoa darstellen, ist in weiteren Untersuchungen zu klären. Die bisherigen Befunde lassen sich am sparsamsten durch ein Schwestergruppen-verhältnis zwischen den Nemertea und den Trochozoa erklären.
Nemertea are unsegmented spiralian worms whose monophyly is undisputed due to various autapomorphic traits. They possess an eversible proboscis, a ring- shaped cerebral ganglion that surrounds the proboscis insertion instead of the pharynx, and an epithelialized vascular system. In other respects they are character-poor and thus have formerly been regarded as basal Spiralia with closest affinities to Platyhelminthes. More recent hypotheses place the Nemertea as sister taxon to or among the Trochozoa, putatively with closest relationship to annelids. Each of these hypotheses implies a distinctive combination of character traits concerning the formation of the body wall musculature, larval nephridia, and pigmented eyes. In contrast to other spiralian taxa, data on these character systems are largely missing in nemerteans, which hampered an evaluation of the phylogenetic hypotheses thus far. Especially in the basally branching "palaeonemertean" subtaxa, which are essential for determining character polarities, the relevant data are unknown. In order to clarify the phylogenetic position of Nemertea within the Spiralia, comparative studies on the above mentioned organ systems were conducted for most of the high-ranking subtaxa of the Nemertea. Additional studies on the reproductive biology of one of the most common European nemertean species, Lineus viridis, were complemented by a comprehensive survey on nemertean sperm ultrastructure. The latter contributed to a clarification of the ingroup relations of the Nemertea with new morphological support for topologies that yet were merely based on analyses of molecular data. Data obtained permit a discussion of the currently competing phylogenetic hypotheses on the phylogenetic position of the Nemertea. A sister group relationship to Platyhelminthes is umambiguously rejected by the new data. Whether nemerteans form the sister group to remaining Trochozoa or are more closely related to annelids still requires further studies. Presently the most parsimonious explanation for the observed character states in Nemertea is a sister group relationship to Trochozoa.