Einleitung: Multimorbidität ist weit verbreitet und stellt ein vorrangiges Problem in Hausarztpraxen dar. Neben der Behandlung von Krankheitssymptomen sind auch Krankheitsfolgen, d. h. Fähigkeitsbeeinträchtigungen und resultierende Teilhabeeinschränkungen zu berücksichtigen. Zur Abschätzung der sozialmedizinischen Versorgungserfordernisse wurde untersucht, welches Erkrankungs- und Komorbiditätsspektrum in Allgemeinarztpraxen vorzufinden und mit welchen sozialen Beeinträchtigungen vorrangig zu rechnen ist. Methode: In einer unausgelesenen Patientenstichprobe aus 40 Hausarztpraxen wurde mittels der Burvill-Skala für zehn Körperregionen erfasst, welche akuten und/oder chronischen Erkrankungen vorliegen. Mit Hilfe der IMET-Skala wurde untersucht, in welchen von zehn Lebensbereichen krankheitsbedingte Einschränkungen vorliegen. Es lagen desweiteren Angaben zu Alter, Geschlecht und Beruf vor. Ergebnisse: Die häufigsten Störungen sind muskuloskelettale (62.5%) und psychische (56.6%) Erkrankungen. 83.0% der Patienten in Allgemeinarztpraxen sind an mindestens zwei, 65.8% an mindestens drei und 29.7% an mindestens fünf verschiedenen Organsystemen (akut und/oder chronisch) erkrankt. Durchschnittlich ist ein Patient an 3.5 (SD 2.0) Organsystemen von Gesundheitsstörungen betroffen. Die Zahl der erkrankten Organsysteme nimmt mit steigendem Alter zu. 30.3% der bis einschließlich 30-Jährigen, 15.1% der 31-60-Jährigen und 8.6% der > 60 Jährigen haben maximal ein erkranktes Organsystem. Frauen sind multimorbider als Männer. 14.5% der Frauen weisen in maximal einem Organsystem Störung(en) auf, 10.3% sind von sieben oder mehr Gesundheitsstörungen betroffen. 20.9% der Männer berichten über maximal ein erkranktes Organsystem, in sieben oder mehr Organsystemen haben 6.5% der Männer Erkrankungen. Am stärksten beeinträchtigt sind die Patienten im Bereich ‚Arbeit/Beruf‘ (MW 3.20, SD 3.28) und ‚außergewöhnlichen Belastungssituationen‘ (MW 2.81, SD 3.05). 40.9% geben im Berufsleben mindestens mittelschwere, 17.6% schwere bis schwerste Beeinträchtigungen an. 38.0% der Patienten beschreiben mindestens mittelschwere Beeinträchtigungen bei der Bewältigung außergewöhnlicher Belastungen. Am wenigsten beeinträchtigt sind sie in ‚üblichen Alltagsaktivitäten‘ (MW 1.35, SD 2.31). Bezogen auf die Individualmorbidität sind Patienten mit Erkrankungen der Sinnesorgane mit einem IMET-Mittelwert von 2.5 (SD 2.5) am wenigsten teilhabebeeinträchtigt, am stärksten neurologisch Erkrankte (IMET-MW 3.8, SD 2.5). Wendet man das Prinzip der DALY an, dann sind psychische Erkrankungen (1.69) in Hausarztpraxen sozialmedizinisch von höchster Relevanz, an zweiter Stelle folgen muskuloskelettale Erkrankungen (1.62). Neurologische Erkrankungen haben auf Grund ihrer niedrigen Prävalenz die geringste Bedeutung (0.31). Schlussfolgerung: Multimorbidität ist die Regel in der Allgemeinarztpraxis. Psychische Erkrankungen haben vor muskuloskelettalen Erkrankungen die größte sozialmedizinische Relevanz. Insbesondere psychische und neurologische Erkrankungen führen zu relevanten Teilhabestörungen.
Background: Multimorbidity is a common problem, especially in general practice. It is important to treat not only symptoms of diseases, but also resulting disorders of function and participation. Aim of this study was to investigate the spectrum of disorders, the types of comorbidity, and the rates of impairment in GP-patients and to evaluate their medical and social needs of care. Method: A convenience sample of patients from 40 general practitioners filled in the Burvill-Scale and the IMET-Scale. The Burvill-Scale asks for acute and chronic illnesses in ten different body regions. The IMET-Scale asks for illness-based participation restrictions in ten areas of life. Additional information was available on patient age, gender, education and occupational status. Results: Most frequent were musculoskeletal (62.5%) and psychological problems (56.6%). There were 83.0% of GP-patients with at least two, 65.8% with at least three and 29.7% with at least five acute and/or chronic disorders in different body systems. On average patients reported 3.5 (SD 2.0) affected body systems. Older patients and women report more morbidity. 30.3 % of patients aged 30 or younger report no or only one health problem. 15.1% of patients in the age of 31 to 60 and 8.5% aged 61 or older say that there is no or only one problem. 14.5% of female patients report no or only one problem, and 10.3% seven or more. 20.9% males report no or only one problem and 6.5% seven or more. Patients feel most impaired in the areas ‘work’ (IMET-MW 3.20, SD 3.28) and ‘coping with special demands’ (MW 2.81, SD 3.05). 40.9% are at least moderately severe, 17.6% severe or very severely impaired at work. 38.0% are at least moderately severe impaired in ‘coping with special demands’. In the domain ‘general activities in daily life’ patients are least affected (MW 1.35, SD 2.31). In respect to selected illnesses ‘eye/ear’ show least participation restrictions (IMET-MW 2.5, SD 2.5), patients with neurological diseases are most affected (IMET-MW 3.8, SD 2.5). Referring to the DALY concept, psychological illnesses (1.69) are most important for the general practitioner, musculoskeletal diseases come second (1.62). Because of their low prevalence neurological diseases are of little importance (0.31). Conclusion: Multimorbidity in GP-patients is the rule, not the exception. Psychological and musculoskeletal problems have the greatest impact on life. Especially psychological and neurological health problems lead to relevant participation restrictions.