Die vorliegende Querschnittsstudie untersuchte die Prävalenz körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen und mögliche Korrelationen zu sexuellen und reproduktiven Parametern. Für diese Untersuchung standen die Datensätze von 496 Frauen hinsichtlich der Schwangerschaftsverläufe („ reproduktives Sample“) und die Datensätze von 715 Frauen bezüglich sexueller Parameter („ sexuelles Sample“) zur Verfügung. Diese Daten wurden aus einem Gesamtsample von 730 ambulanten Patientinnen extrahiert. Die Datenerhebung erfolgte mit einem selbst entwickelten, umfangreichen Fragebogen in 13 verschiedenen Berliner Arztpraxen (allgemeinärztliche und gynäkologische Praxen). Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Juni 2002 bis April 2003. Die Einschlusskriterien für die Teilnahme an der Befragung waren zum einen die deutsche Staatsbürgerschaft der Frauen und zum anderen ein Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Die vorgelegte Untersuchung ist die erste Studie im deutschen ambulanten Gesundheitswesen, die sich mit Gewalterfahrungen von Frauen und reproduktiver Gesundheit befasst. Folgende Ergebnisse konnten im Rahmen dieser Untersuchung eruiert werden: Körperliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland keine marginale Erscheinung, sondern zeigt ein hohes Vorkommen bei denen in dieser Studie befragten ambulanten Patientinnen. Es konnten statistisch signifikante Korrelationen zwischen körperlicher Gewalt und folgenden Parametern gefunden werden: höhere Anzahl von Schwangerschaften, höhere Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen, starkes Schwangerschaftserbrechen, Gestose, Geburtsgewicht des Kindes unter 2500 g, ungenügende Erregung während des Geschlechtsverkehrs, Dyspareunie und Vermeiden sexueller Aktivität. Hinsichtlich der sexuellen Gewalt und den erfragten Parametern, fanden sich signifikante Korrelationen für die folgenden Parameter: höhere Anzahl der Schwangerschaften, erste unerwünschte Schwangerschaft, höhere Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen, höhere Anzahl von Teenagerschwangerschaften (sexuelle Gewalt vor dem 14. Lebensjahr), Dyspareunie und Vermeiden sexueller Aktivität. Keine statistischen Zusammenhänge konnten für Gewalterfahrungen und folgende erfragte Parameter gesichert werden: höhere Anzahl unerwünschter Schwangerschaften, Fehlgeburten, vorzeitige Wehentätigkeit, Frühgeburten, stationärer Aufenthalt wegen Schwangerschaftskomplikationen und Orgasmushäufigkeit beim Geschlechtsverkehr. Körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen stellen im multifaktoriellen Geschehen von Sexualität, Schwangerschaft und Geburt einen ernstzunehmenden Einflussfaktor dar. Das Thema Gewalt und Gesundheit ist in seiner biopsychosozialen Brisanz bisher vom deutschen Gesundheitswesen nicht erkannt worden. Dies ist umso prekärer, da vorgelegte Studien darauf hindeuten, dass Ärzte und Ärztinnen oft die ersten Ansprechpartner für gewaltbetroffene Frauen sind. Den im Gesundheitswesen Tätigen kommt damit eine besondere Chance und Verantwortung zu, einen wichtigen Beitrag zum Unterbrechen des Gewaltkreislaufes zu leisten.
The present study examined the prevalence of physical and sexual violence against women in Germany and its correlations with sexual and reproductive parameters. For this study data of 496 women were utilized with regard to pregnancy outcomes (“reproductive sample”) and the data of 715 women with regard to sexual functioning (“sexual sample”). These data were extracted from a total sample of 730 women in the ambulant health setting. We used a self- designed, confidential questionnaire (715 items) to collect data in 13 different general practitioners and gynaecologists` practices in Berlin (Germany). The data collection took place from June 2002 until April 2003. Criteria for participation were German citizenship and an age in between the range of 18 to 65 years. The study is the first study in the German ambulant health sector to examine violence against women and reproductive health. The following results were elicited: Physical and sexual violence against women is not a marginal phenomenon in Germany but shows a high life time prevalence among the featured women in this study. Significant correlations were found between physical violence and the following parameters: higher number of pregnancies, higher number of abortions, strong emesis gravidarum, gestosis, small –for – gestational - age babies, insufficient arousal during sexual intercourse, dyspareunia and avoidance of sexual activity. With regard to sexual violence and examined parameters, significant correlations were found with: higher number of pregnancies, first undesired pregnancy, higher number of teenage pregnancies, higher number of abortions, dyspareunia and avoidance of sexual activity. No significant correlations could be detected between physical/sexual violence and the following parameters: higher number of undesired pregnancies, miscarriages, premature labour, preterm birth, hospitalization because of pregnancy complications and orgasms during sexual intercourse. Experiences of physical and sexual violence pose a serious impact factor in the multifaceted processes of sexuality, pregnancy and birth. The importance of the topic violence and health has not been acknowledged in its biopsychosocial urgency by the German health system. This is even more serious given the many studies which imply that physicians are among the first persons in the professional sector to whom affected women turn to. Health professionals therefore have the opportunity and responsibility to address these issues and by providing adequate diagnosis and therapy avoiding retraumatization of the women.