In der vorliegenden Arbeit wird die These aufgestellt, dass durch den Geschwätzigkeitsvorwurf ein Regelverstoß angeprangert wird, welcher über die vordergründige (scheinbar spontane) sprachliche Normverfehlung weit hinausweist. Der geschwätzigen Person soll die moralische Integrität, Handlungslegitimität sowie jeglicher Bildungs- und Führungsanspruch wenn nicht gänzlich, so doch zumindest in hohem Maße abgesprochen werden. Die Zusprechung von Geschwätzigkeit intendiert in den Komödien des 16. und 17. Jahrhunderts die Absprechung von Handlungs- wie Urteilsfähigkeit und zugleich eine moralische wie soziale Degradierung des oder der so Bezeichneten. Zugleich soll gezeigt werden, dass der Geschwätzigkeitsvorwurf stets auch als eine Abwehrhaltung verstanden werden muss, die sich aus dem Erleben einer permanenten diskursiven Ohnmacht und einer daraus resultierenden Bedrohung für die eigene Machtposition speist. Für den Verwender des Geschwätzigkeitsvorwurfs stellt dieser eine Waffe dar, mittels derer er die gefürchtete Redequelle zum Versiegen bringen will. Auch wenn er das einmal Ausgesprochene nicht ungesagt machen kann, so will er es zumindest sozial unwirksam machen, indem er es als etwas Bedeutungsloses bezeichnet. In Anlehnung an die These von Rainer Warning, der zufolge typisierbare lächerliche Normverletzungen wie die Geschwätzigkeit geschichtlich variieren und durch Hinzunahme neuer Details elaboriert werden, will die Arbeit in einem ersten Schritt den epochenspezifischen normativen Bezugsrahmen dieser Normverletzung herausarbeiten. Hierzu werden die Texte, die über die verschiedenartigen Bedeutungs- und Funktionsdimensionen des Geschwätzigkeitsvorwurfs Aufschluss geben, in einer von der griechisch- römischen Antike bis zur Renaissance reichenden literaturgeschichtlichen Längsschnittbetrachtung untersucht. In einem zweiten Schritt wird ein Überblick über die Bedeutungs- und Funktionskontexte von Geschwätzigkeitsbezeichnungen im 16. Jahrhundert gegeben, welche aus Texten stammen, die in Verbindung mit dem Erbe der Antike, des Mittelalters und der Renaissance den wesentlichen interpretatorischen Bezugsrahmen für das komische Theater in jener Zeit darstellen. Mittels einer literaturgeschichtlichen Untersuchung der populärsten komischen Theaterform des 16. Jahrhunderts, der Farce, soll dann anhand der Bildung von Bedeutungs- und Funktionskategorien der inhaltliche und funktionale Entwicklungsprozess der Geschwätzigkeitsbezeichnung im komischen Theater Frankreichs des 16. Jahrhunderts nachgezeichnet sowie bedeutungs- und funktionsgeschichtliche Kontinuitätslinien oder Brüche sichtbar gemacht werden. In einem dritten Schritt folgt ein Überblick über die Bedeutungs- und Funktionskontexte des Geschwätzigkeitsvorwurfs im 17. Jahrhundert. Hieran schließt sich eine Untersuchung der populärsten komischen Theaterform des 17. Jahrhunderts, der Komödie, an. Der inhaltliche und funktionale Entwicklungsprozess des Geschwätzigkeitsvorwurfs wird in den Komödien des 17. Jahrhunderts verfolgt. Mittels einer vergleichenden Analyse erfolgt die Herausarbeitung von Kontinuitätslinien oder Brüchen mit den vorangegangen Jahrhunderten, insbesondere mit dem 16. Jahrhundert. In der Zusammenfassung werden die wichtigsten Befunde der drei großen Abschnitte abschließend synthetisiert.
In this dissertation it was hypothesized that the French comedies of the 16th and 17th centuries would designate someone as garrulous in part to pillory them as one who is fundamentally superficial. Calling a person garrulous is to a large extent denying his or her moral integrity, legitimacy of actions as well as his or her claim to education and leadership. Attributing to somebody the trait of garrulity follows the intention of undermining their authority, and of subjecting them to social and moral degradation. This study purports that the tendency of French comedy was to use the construction of garrulity as a conversational reproach to the perception of a verbal threat. For the user of the reproach, the use of the word garrulity represents a weapon by which he can defend his position of verbal authority. Although he cannot escape or erase what has been said, he may render it from a practical point of view ineffective by promoting the perception that the speaker s comments are not serious. Rainer Warning hypothesized that the semantic construction of comical deviations of the norm, such as garrulity, can vary and evolve over time as they are elaborated upon. The present study first sought to specify the epochs normative frame of reference for the verbal transgression of the norm. This included a review of texts that reveal varying semantic and functional dimensions of the reproach of garrulity from the Greco-Roman antiquity to the Renaissance period. The second objective of this study was to identify contextual rules for garrulity designations in 16th century French comedy. This was attempted through the study of texts involving a marriage with the heritage of the antiquity, the middle age and renaissance, and therefore represents the main interpretive frame of reference for the comical theatre in this historical period. A close examination of the most popular comical theatre form of the 16th century, the farce, was subsequently conducted. This was accomplished through analysis of the semantic and functional development process of the reproach of garrulity in scenes by extrapolating features/moments of change and/or continuity. A third objective was to similarly identify the contexts and semantics of garrulity designations in the 17th century. This focused on text from the most popular comical theatre form of this period, the comedy. The semantic and functional development process of the reproach of garrulity is reconstructed and compared with preceding centuries (with a strong emphasis on the 16th century) in order to extrapolate the fundamental characteristics of its meaning and use. The summary synthesizes the most important findings of the three main chapters.