dc.contributor.author
Hildebrandt, Wendy
dc.date.accessioned
2018-06-08T00:01:13Z
dc.date.available
2008-07-29T12:30:45.965Z
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/11335
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-15533
dc.description.abstract
Gemäß §17 Nr.1 des deutschen Tierschutzgesetzes darf ein Wirbeltier nur bei
Vorliegen eines „vernünftigen“, d.h. von der Allgemeinheit akzeptierten
Grundes getötet werden. (Lorz/Metzger, 1999; Kluge, 2002) Diese Akzeptanz
schien im Falle des Tötens überzähliger Zootiere zu fehlen. Ein Beispiel:
Nachdem im Februar 1998 zwei Braunbären im Zoo Leipzig getötet wurden, wurde
in den Medien ausführlich darüber berichtet. Etwa 250 Menschen versammelten
sich zu einem Andachtsgottesdienst für die beiden getöteten Bären und der
Präsident des Deutschen Tierschutzbundes rief zum landesweiten Boykott
Zoologischer Gärten auf. Fraglich war bislang, inwieweit es sich bei diesem
Protest um eine repräsentative Ablehnung handelt, die von der Mehrheit der
Bevölkerung vertreten wird, oder ob diese Reaktion von den Medien gefördert
wurde und tatsächlich nur der Haltung einer Minderheit entspricht. Da bisher
keine empirischen Daten über die Einstellung der Bevölkerung zu dieser
Problematik vorliegen, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Umfrage „zum Umgang
mit überzähligen Tieren in Zoologischen Gärten“ durchgeführt. Bei der Wahl der
Befragtengruppe wurde angestrebt, Personen anzusprechen, bei denen von einer
hohen Bereitschaft, sich mit der Rolle Zoologischer Gärten und dem Umgang mit
Zootieren auseinanderzusetzen, ausgegangen werden konnte. Daher wurde die
Umfrage unter Besuchern in Zoologischen Gärten durchgeführt. Als
Befragungsorte wurden der Tiergarten Nürnberg (1. bis 17. Januar 2007) und der
Zoo Leipzig (1. bis 10. März 2007) gewählt. Insgesamt wurden 1006 Besucher
befragt (511 Personen im Tiergarten Nürnberg und 495 im Zoo Leipzig). Um zu
gewährleisten, dass allen Befragten die gleiche Information zur Verfügung
stand und um eine Beeinflussung bei der Beantwortung zu vermeiden, wurden die
Daten mittels eines Fragebogens (siehe 3.3 Fragebogen) erhoben, der von den
Befragten selbstständig ausgefüllt wurde. Für die Feststellung, ob die
demographische Struktur der Befragten von der deutschen Allgemeinbevölkerung
abweicht, wurden die Daten denen von Standarddemographien gegenübergestellt.
Dieser Vergleich ergab, dass bei der vorliegenden Erhebung die jüngeren
Altersgruppen (16-25 und 26-45 Jahre), Frauen sowie Personen mit höherem
Bildungsabschluss (Abitur/Fachabitur und
Hochschulabschluss/Fachhochschulabschluss) überrepräsentiert waren. Allerdings
bestanden bei Umfragen unter Besuchern im Zoo Frankfurt 2005 und im Zoo
Leipzig 2005 die gleichen Abweichungen von der deutschen Standarddemographie.
Somit scheint die ermittelte demographische Struktur charakteristisch für
Zoobesucher zu sein. Um eine Aussage über die Repräsentanz der Erhebung zu
erhalten, wurde untersucht, ob auffällige Differenzen zwischen den Antworten
an den beiden Befragungsorten bestanden. Hierbei konnten für keine der
untersuchten Fragen deutliche Abweichungen festgestellt werden. Die Ergebnisse
aus dem Tiergarten Nürnberg und dem Zoo Leipzig zeigten sogar eine ausgeprägte
Übereinstimmung, was auf eine hohe Repräsentanz der Erhebung schließen lässt.
Zu Beginn des Fragebogens wurde den Befragten vorgestellt, welche Argumente
von Seiten der Zoos angeführt werden, die Vermehrung der Zootiere auch dann
nicht zu verhindern, wenn es zu überzähligen Tieren kommen kann. Genannt
wurden hier die Ermöglichung von Fortpflanzungsverhalten, die Aufzucht von
Jungtieren und das Leben im Familienverband sowie der Verzicht auf
Geburtenkontrolle bei Nebenwirkungen oder Verhaltensstörungen, die
Erhaltungszucht bedrohter Tierarten, die wissenschaftliche Forschung und die
Bildung der Besucher. Diese Argumente sollten von den Besuchern ihrer
Bedeutung entsprechend zwischen sehr wichtig und nicht wichtig eingestuft
werden (Frage 1). Bei der nächsten Frage sollten sie bewerten, welches dieser
Argumente ihrer Meinung nach auch die Tötung eines Tieres rechtfertigen könnte
(Frage 2). Für beide Fragestellungen ergab sich die Reihenfolge:
Erhaltungszucht > artgerechte Haltung > Tiergesundheit > Wissenschaft >
Bildung der Besucher. Anschließend sollten die Befragten angeben, ob sie es
prinzipiell akzeptieren würden, wenn nach vollzogener Abwägung im Einzelfall
die Entscheidung zur Tötung getroffen wird (Frage 3). Diese Frage wurde mit
55,6 % von der Mehrheit bejaht, wobei die Zustimmung bei den älteren Befragten
deutlich höher ausfiel als bei den jüngeren und zudem bei Männern deutlich
höher als bei Frauen. Mit 34,4 % lehnte ca. ein Drittel die Tötung
grundsätzlich ab und 8,4 % waren unentschieden. Insgesamt war nach Meinung der
Besucher die Voraussetzung ausschlaggebend, dass die Entscheidung zum Wohle
der Tiere getroffen wird. So war für die Befragten die Tötung vor dem
Hintergrund der Erhaltungszucht, artgerechten Tierhaltung und Tiergesundheit
eher gerechtfertigt als zur Förderung von Forschung und Bildung. Ganz deutlich
wurde durch die Ergebnisse der Umfrage, dass der Großteil der Besucher sich
zwar für die Thematik interessierte und Stellung bezog, jedoch nicht aktiv in
die Entscheidung einbezogen werden wollte (95,4 %, Frage 6) und auch die
Einbeziehung der Öffentlichkeit nicht für sinnvoll erachtete (86,2 %, Frage
7). Bei der Frage, wer an der Entscheidung beteiligt sein sollte, entfielen
die meisten Stimmen auf den Zootierarzt, den zuständigen Pfleger und externe
Fachleute (Frage 6). Auch nach dem Begriff des „vernünftigen Grundes“ zur
Tötung eines Wirbeltieres im deutschen Tierschutzgesetz muss in Fällen,
welche, wie die Tötung überzähliger Zootiere, nicht speziell gesetzlich
geregelt sind, der Handelnde selbst in Form einer Güter- und Pflichtenabwägung
prüfen, ob die Tat gerechtfertigt ist. Diese Abwägung muss für jeden
Einzelfall individuell vollzogen werden, weil die jeweiligen
Ausgangssituationen sehr stark variieren können. So ist die Entscheidung bei
überzähligen Zootieren abhängig von der betreffenden Tierart, ihrem
Fortpflanzungs-, Aufzucht- und Sozialverhalten, ihrem Gefährdungsstatus, zur
Verfügung stehenden kontrazeptiven Möglichkeiten sowie der Zoologischen
Einrichtung, ihren räumlichen Kapazitäten, finanziellen Mittel und vielen
weiteren Faktoren. Diese umfassende Prüfung aller begleitenden Umstände und
Alternativmöglichkeiten kann und will von der Öffentlichkeit nicht geleistet
werden. Wie schwierig die Gesamtthematik für Fachfremde tatsächlich zu
erfassen ist, zeigen auch die z.T. widersprüchlichen Antworten der Befragten.
So stimmten die meisten in Frage 2 dafür, dass die Erhaltungszucht bedrohter
Tierarten einen rechtfertigenden Grund für die Tötung überzähliger Zootiere
darstellt (z.B. wenn ein Individuum genetisch überrepräsentiert ist und nicht
mehr zur Zucht eingesetzt werden kann), bei der Frage welche Tiere
grundsätzlich von der Tötung ausgeschlossen werden sollten (Frage 5), gab
jedoch der überwiegende Teil „bedrohte Tierarten“ an. Dennoch müssen die
gesellschaftlichen Wertvorstellungen über die Rechtfertigung zur Tötung von
Tieren die Grundlage dieser Entscheidung bilden. Diese Forderung ergibt sich
sowohl aus der Formulierung des „vernünftigen Grundes“ seitens der
Gesetzgebung als auch durch die Tatsache, dass Zoologische Gärten als
öffentliche Institutionen ihr Handeln jederzeit begründen müssen. Wie mit den
Ergebnissen der vorliegenden Erhebung nachgewiesen werden konnte, entspricht
die ablehnende Position zur Tötung eines überzähligen Zootieres nicht dem
mehrheitlichen Meinungsbild der Befragten, denn die Mehrheit akzeptierte die
Tötung im Einzelfall. Als wesentliche Bedingung für die Zustimmung ergab sich,
dass die Entscheidung verantwortungsvoll im Sinne der Tiere getroffen wird.
Zudem hat die Studie gezeigt, dass die Akzeptanz durch Information weiter
gefördert werden kann. So war der Anteil an zustimmenden Antworten unter den
Befragten, denen die Problematik bereits bekannt war (Frage 8), deutlich höher
als bei den Probanden, denen die Thematik bisher unbekannt war. Die Ergebnisse
der vorliegenden Studie können Zoologischen Gärten ermutigen, mit dem Thema
der Tötung überzähliger Tiere offener umzugehen. Sie gewinnen in der
Bevölkerung an Glaubwürdigkeit, dass sie ihre Entscheidung gewissenhaft und im
Sinne der Tiere treffen, wenn sie offen zu ihren Handlungen stehen und die
Gründe erläutern.
de
dc.description.abstract
According to German animal protection law (§17 Nr.1) it is only allowed to
kill a vertebrate if a “reasonable”, communally accepted cause can be shown.
(Lorz/Metzger, 1999; Kluge, 2002) This sort of acceptance seems to be missing
in the case of killing surplus zoo animals. For example, in the aftermath of
the killing of two brown bears in the Zoo Leipzig in February 1998, the
following media response was huge. About 250 people gathered for a devotional
church service in honour of the two bears and the president of “Deutscher
Tierschutzbund” appealed for a nationwide boycott of zoological gardens. So
far it has been questionable to what extent this sort of protest constitutes a
representative rejection shared by the majority of the population, or if this
reaction has been raised by the media and represents only the position of a
minority group. Since empirical data regarding the population´s attitude
concerning this issue is missing so far, an opinion poll "about the treatment
of surplus animals in zoological gardens" has been conducted for this paper.
In choosing the respondents, the aim was to question persons, were a keen
willingness to deal with a role of a zoological garden and their handling of
zoo animals could be assumed. Therefore the poll was conducted at zoological
gardens. The chosen polling places were the "Tiergarten Nuernberg" (January
1st to 17th 2007) and the Zoo Leipzig (march 1st to 10th 2007). In total, 1006
persons were questioned (511 persons at "Tiergarten Nuernberg" and 495 at the
"Zoo Leipzig"). To ensure that all interviewees had access to the same level
of information, and to avoid influencing their response, the data was
collected by means of a questionnaire (see 3.3 Fragebogen), which was answered
independently by the respondents. In order to appraise whether the demographic
segmentation of the interviewees deviated from the German general population,
the data was contrasted against standard demographics. This comparison showed
that the younger segments (16-25 and 26-45 years), females as well as persons
of higher educational achievement were over-represented in the enquiry.
However, the same deviation for the standard demographics can be found in
surveys conducted at the Zoo Frankfurt and the Zoo Leipzig in 2005. Therefore
it seems that the determined demographic structure is distinctive for visitors
of zoological gardens. To assert whether the enquiry be representative,
conspicuous differences between the answers at each polling site were
investigated. No significant differences could be found between the
scrutinized questions. On the contrary, the results from the “Tiergarten
Nuernberg” and the “Zoo Leipzig”, distinctly conform to each other, which
implies a high representation of this enquiry. At the beginning of the
questionnaire, the arguments put forward by zoological gardens as to why they
allow the reproduction of zoo animals even if that leads to surplus animals
were stated. The arguments mentioned were as follows: to retain reproductive
and breeding behaviour, to keep animals in their natural social environment,
to abandon birth control in case of adverse effects or behavioural disorders,
to breed endangered species in conservation programmes and furthermore
scientific research and education of the visitors. The interviewees were asked
to rank each of these arguments between "very important" and "not important"
(question 1). In the next question they were asked to rank which of these
arguments could, in their opinion, justify the killing of an animal (question
2). Those two questions resulted in the following order: breeding programmes >
appropriate husbandry > animal health > science > education of visitors.
Subsequently the interviewees were asked to indicate if they would in
principle accept, after consideration, the decision to kill an animal in an
individual case (question 3). A majority of 55,6 % agreed with this question,
whereupon the acceptance of older people proved to be significantly higher
than that of younger people and was higher with males than with females. With
34,4% about one third rejected killing an surplus animal on principle and 8,4
% were undecided. Collectively all visitors felt that it was important such
decision has to be made to the benefit of the animals. To the interviewees,
killing in the context of breeding programmes, appropriate husbandry and
animal health was seen as being more justifiable than for the advancement of
science and education. Very noticeable in the results is that, while a
majority of visitors are interested in the subject matter and have formed an
opinion, they don't want to be actively included in the decision making
process (95,4 %, question 6) and, furthermore, don't consider the
participation of the general public to be sensible (86,2 %, question 7).
Questioned on who should be included in the decision making process, most
votes were cast in favour of the zoo veterinarian, the responsible curator and
external experts (question 6). Even with the concept of a "reasonable cause"
for the killing of vertebrates under German animal protection law, the
responsible acting person must, in cases that are not especially addressed by
this law, like the of killing surplus zoo animals, justify his actions in
consideration of goods and responsibilities. This consideration must take
place in each individual case, because the influencing factors can vary
strongly. The final judgement is dependent on the species concerned, their
reproductive, breeding and social behaviours, their endangered status, the
availability of contraceptive methods as well as the zoological facilities,
their available space capacity, financial funds and many other factors. Such
an in-depth assessment of all the surrounding circumstances and alternative
solutions cannot be achieved by the general public. How difficult it is for
someone not familiar with the subject to comprehend the entire issue with all
its different aspects can also be shown by the fact that some interviewees
gave contradictory answers. The majority of the interviewees voted in question
2 for breeding programmes of endangered species as a justifiable reason for
the killing of surplus zoo animals (for example, if an individual´s genetic
code is over-represented and can no longer be used for breeding), in the
question which species should not be killed in general (question 5), most
interviewees chose “endangered species”. Yet common moral concepts must form
the basis of whether to kill an animal is justifiable. This demand is
determined both through the phrasing of a "reasonable cause" in the
legislation and by the fact that zoological gardens, as public institutions,
are always accountable to the public for their actions. The results of this
enquiry have proved that, of those interviewed, most are not opposed to the
idea of surplus zoo animals being killed. The basis for such acceptance is
that a responsible decision be made in the interests of the animals.
Furthermore, the study has proven that this acceptance can be aided by
providing more information, since the amount of positive answers was
significantly higher among those previously familiar with the issue, than
among those unfamiliar with the subject matter (question 8). The results of
this study should encourage zoological gardens to deal more openly with the
topic of killing surplus zoo animals. They win more creditability with the
public, if they would publicly stand behind their actions and illustrate that
such decisions are made conscientiously and for the benefit of the animals.
en
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject
animal breeding
dc.subject
animal welfare
dc.subject
breeding programmes
dc.subject
zoological gardens
dc.subject.ddc
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften::630 Landwirtschaft::630 Landwirtschaft und verwandte Bereiche
dc.title
Zum Umgang mit überzähligen Tieren in Zoologischen Gärten
dc.contributor.firstReferee
Prof. Dr. J. Luy
dc.contributor.furtherReferee
Prof. Dr. K. Eulenberger
dc.contributor.furtherReferee
Prof. Dr. H. Wiesner
dc.date.accepted
2008-06-17
dc.identifier.urn
urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000004609-9
dc.title.subtitle
Besucherbefragung im Tiergarten Nürnberg und Zoo Leipzig
dc.title.translated
About the treatment of surplus animals in zoological gardens
en
dc.title.translatedsubtitle
a visitor´s survey at “Tiergarten Nuernberg” and “Zoo Leipzig"
en
refubium.affiliation
Veterinärmedizin
de
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Mensch und Buch Verlag
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