Die Dissertation diskutiert Fragen des „Machtmachens“, im Sinne der Etablierung, Verstetigung und Tradierung von Über- und Unterordnungsverhältnissen, in macht- und genderkritischer Perspektive anhand zweier unterschiedlicher archäologisch fassbarer Materialkorpora der Frühzeit des Alten Orients: a) den Rollsiegelbildern der Späturuk-Zeit des ausgehenden 4. Jt. v. Chr. und b) den Befunden des sog. Royal Cemetery in Ur aus der Mitte des 3. vorchr. Jts. Im ersten Teil der Untersuchung werden die Inhalte, Funktionsweisen und Bedeutungen der in den Rollsiegelbildern repräsentierten Ideen(!) über das Machen von Macht und Herrschaft in der Späturuk-Zeit durch detaillierte Bildanalysen herausgearbeitet. Die These lautet, dass die urukzeitlichen Bilder des Macht- bzw. Herrschaftmachens ein visuelles Archiv der Repräsentation von Macht- bzw. Ohnmachtpositionen begründen, welches bis dato wirkt. Die Argumentation fokussiert auf die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der repräsentierten Verkörperungen von Macht- und Ohnmachtpositionen, denn es sind die jeweils spezifisch repräsentierten Körper, deren Sichtbarkeit den „unwiderlegbaren Beweis“ für die Richtigkeit und „Wahrheit“ der ins Bild gesetzten gesellschaftlichen Ordnungsstrukturen und Organisationsformen liefert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Sichtbarmachung und Analyse von weiblichen Positionen innerhalb der repräsentierten späturukzeitlichen wie ebenso im zweiten Teil frühdynastischen Machtkonstellationen, wodurch durchaus auch ein Verständnis von Macht und in weiterer Perspektive ein Geschichtsbild destruiert werden soll, welches Macht und Geschichte per se als alleinige, schicksalhafte, folgerichtige und unhintergehbare Aspekte männlicher Existenzweisen vorführt. Die Fragen, die im zweiten Teil der Arbeit aufgeworfen werden, betreffen die Begründungszusammenhänge von Herrschaft unter den veränderten historischen Bedingungen ihrer stadtstaatlichen Formierung. Die sog. Mitbestattungen in den Royal Tombs im sog. Royal Cemetery in Ur provozieren auf verschiedenen Ebenen Fragen nach dem Verhältnis von Tätern und Opfern in staatlichen Kontexten sowie aber auch nach der Stelle der Opfer in der Legitimierung historischen Geschehens durch entsprechende (stets interpretierende) Darstellungen der archäologischen bzw. historischen Disziplinen. Die Frage nach den (immer noch strittigen) Identitäten und den sozialen Rängen der Bestattungen und sog. Mitbestattungen in den Royal Tombs in Ur ist in archäologischer Perspektive zunächst eine Frage der auf uns gekommenen Dinge, welche die ausgegrabenen Skelette bedeckten bzw. sich vergesellschaftet mit ihnen fanden. Von Interesse ist jetzt, wie die Verknüpfungen von Macht, Geschlecht und Gegenstand im Kontext des Royal Cemetery „gemacht“ wurden, zur Geltung gebracht wurden. In kleinteiliger Analyse der „Dingwelten“ des Royal Cemetery werden folglich im zweiten Teil der Arbeit die Spielregeln und Klassifikationen des Sozialen im frühdynastischen Ur an den auf uns gekommenen Inventaren der Royal Tombs und bestimmter sog. Privatgräber rekonstruiert und in ein politisches Paradigma überführt. Denn sowohl die Befunde der urukzeitlichen Siegelbilder sowie aber auch die des Royal Cemetery machen eines zumindest fraglos deutlich: die menschliche Existenz ist als soziale Existenz immer spezifisch verkörperte Existenz, aber eben auch verdinglichte Existenz. Die Verteilung von Dingen in Gesellschaften ist deswegen, so die These, kein Effekt, sondern vielmehr im Grundsätzlichen ein aktiver Produktionsfaktor des Politischen, da in den Dingen nicht allein Mangel oder Reichtum im ökonomischen Sinn Gestalt annehmen, sondern ebenso Identifikations-, Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten, die die Identitäten und gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten von Menschen im hohen Maße determinieren.
This dissertation thesis discusses questions related to the representation of power in the archaeological record of the ancient Near East. The analysis offered here will focus on how power and power structures are created by analyzing on the one hand images on cylinder seals from the Late Uruk-Period at the end of the 4th millennium BCE, and on the other hand the finds from the Early Dynastic Royal Cemetery of Ur dating roughly to the middle of the 3rd millennium BCE. In particular, this analysis will focus on the ways in which hierarchical structures are established, maintained, and transmitted from the perspective of power and gender. The first part contains a detailed analysis of Late Uruk cylinder seals in order to show how power and domination is created through ideas that are represented on these images. This analysis is based on the hypothesis that Late Uruk-Period images are a visual archive of Mesopotamian ideas on the relationship between domination and the dominated, and that this imagery of power established patterns that are still visible today. I shall argue that these representations are an embodiment of political and social aspects of power and powerlessness, and that the bodies that are represented on these seals validate and give meaning to social and political order and organizations. My analysis includes a study of the positions that women held within these power constellations during the Late Uruk- and Early Dynastic Periods with the objective of deconstructing our own notions of power and, ultimately, of deconstructing our notions of history as an aspect of male ways of existence. The second part of this thesis is concerned with why and how power was created within the framework of the formation of city-states. Burials that accompany the royal tombs lead to questions regarding the relationship between perpetrators and victims within the context of the state. In this context, I discuss the ways in which modern scholars give meaning to the historical processes that led to the supposed human sacrifices in the Royal Cemetery of Ur. The (still contested) identities and social ranks of the skeletons interred in the Royal Tombs and the accompanying burials are determined by interpreting the goods that were placed within the tombs. The objective here is to show that there is a relationship between power, gender, and objects within the context of the Royal Cemetery of Ur. A detailed analysis of the inventories of the Royal Tombs and certain “private” burials will reconstruct the social rules and social classifications in Early Dynastic Ur and recreate the political paradigm within which these rules and classifications were embedded. The findings of the Royal Cemetery of Ur illustrate at least one aspect: human existence is always social as well as bodily, but also reified. How goods are distributed within a society is therefore not a political effect but an expression of a production of political structures. The distribution of goods is not only a reflection of poverty and plenty in the economic sense but also offers a possibility to express identity, action, and knowledge, which determine the identities and social participation of people.